Neue Bewohner des AWO-Seniorenzentrums tun sich oft schwer, in ihrer neuen Umgebung anzukommen, und sind deshalb auch eher gefährdet, das Heim zu verlassen und sich dann nicht mehr zurechtzufinden. So geschehen vergangene Woche, als sich ein älterer Herr im Garten des Seniorenheims eine Stuhlpyramide baute, über den Zaun stieg und anschließend im Untermarkt umherirrte, um die Straßenbahn zu suchen. Wie die Heimleitung mitteilt, hat sich eine hilfsbereite Wolfratshauserin spontan seiner angenommen: "Da er weder Namen noch Adresse wusste, war der Dame klar, dass er nur zu uns gehören könne. Wir bedanken uns deshalb sehr herzlich - für das Hinschauen und Handeln."
In Laufe einer Demenzerkrankung, insbesondere bei der Alzheimer Erkrankung, verliere der Mensch nicht nur die örtliche Orientierungsfähigkeit, heißt es in dem Schreiben der AWO. Die Desorientierung beziehe sich auch auf die eigene Person und die Zeit. Name, Herkunft, Lebensalter - all diese Daten würden nicht einfach vergessen, vielmehr glaube der betroffene Mensch, sich in einer anderen Lebensphase zu befinden: "Er erlebt sich auf einer inneren Bühne, die wir vermeintlich Gesunden nur erahnen können. Er fühlt sich vielleicht jung, im Beruf stehend oder auch für die noch kleinen Kinder zu Hause verantwortlich. Gleichzeitig spürt er aber auch in wachen Momenten, dass da etwas nicht stimmig ist. Somit begibt er sich auf die wage Suche - womöglich nach Hause, ins Büro, zu den Kindern."
Diesen Zustand nennt die Fachwelt "Hinlauftendenz". Tatsächlich sei es weniger ein konkreter Ort, der aufgesucht werden wolle, als vielmehr eine Suche nach innerer Sicherheit und Geborgenheit. "Konstante Nähe, liebevolle Begleitung und Betreuung, soziale Teilhabe und die Möglichkeit, sich viel zu bewegen, können helfen, diese Phase des Laufens zu überwinden oder gemeinsam zu meistern". Vertrauen aufzubauen, brauche jedoch seine Zeit.