Premiere:"München hat was"

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Das sei ein Grundzustand auf der Welt, glaubt Stefan Kröll: Mann besoffen, Frau "zwida". (Foto: Hartmut Pöstges)

Der erste Kabarettabend im "Amato" - eine Liebeserklärung

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Als erstes fällt die Sprache auf. Mit ihr nimmt der Kabarettist Stefan Kröll das Publikum von Anfang an für sich ein. Sein Bairisch klingt warm und melodiös, so dass man ihm schon deswegen gern zuhört. Keine schlechte Voraussetzung für den ersten Kabarettabend in der Wolfratshauser Bar D'Amato im Schützenheim, in der sonst die Musik dominiert. Was der 44-jährige Kröll den mehr als 20 Gästen an diesem Abend zu bieten hat, unterscheidet sich von dem, was man sich gemeinhin von einer Kabarettvorstellung erwartet. Sein "Minga-Projekt", so der Titel des Programms, ist eine Liebeserklärung an das alte München und die bayerische Lebensart. So wird der Abend zu einer facettenreichen Historienreise zu Plätzen und Ereignissen in der Landeshauptstadt. Dazwischen streut Kröll unterhaltsame Alltagsbeobachtungen ein.

"Egal ob Minga, München oder Monaco di Baviera - diese Stadt hat etwas", konstatiert Kröll. Er nähert sich der Landeshauptstadt von außen, worauf schon das Wort "Minga" hindeutet, wie die Umlandbevölkerung die Stadt gemeinhin nennt. Ob das in München noch einer der Jüngeren versteht? Denn schließlich sprächen Menschen unter 35 Jahren dort keinen Dialekt mehr, stellt Kröll fest.

Und sie waren noch nicht geboren, als die Fußballmannschaft des TSV 1860 München in den 1960er Jahren ihre größten Erfolge feierte. An deren Stadion, im Volksmund Sechzgerstadion genannt, kommt der Autofahrer vorbei, der sich von Südosten über die Salzburger Autobahn und den McGraw-Graben München nähert. Warum ein Blitzgerät kurz vor dem Stadion alle erfasse, die schneller als 50 Stundenkilometer fahren, versteht Kröll nicht. Er fahre jedenfalls vor dem Sechzgerstadion auch sechzig. Ist doch logisch.

Oft meine man zwar viel zu wissen, kenne aber in Wirklichkeit nur wenig, sagt Kröll. Wem sei etwa schon bewusst, dass die Michaelskirche das zweitgrößte Tonnengewölbe der Welt nach dem Petersdom hat? Wer wisse, dass der Viktualienmarkt der größte Freiluftmarkt Deutschlands ist oder die Oper bei einem Brand 1823 mit Bier gelöscht werden musste, weil die Löschteiche alle zugefroren waren? All das beantwortet Kröll und noch viel mehr. So erfährt das Publikum, dass München letztlich seine eigene Störtebeker-Saga hat. Denn 1330 wurde Raubritter Diez von Schaumburg auf dem Münchner Schrannenplatz enthauptet. Dabei sollten alle seine vier Kumpane begnadigt werden, an denen er ohne Kopf vorbeilaufen konnte.

Wer über München spricht, kommt an Alfons Schuhbeck kaum noch vorbei, der mit seinem Kochimperium das Münchner Platzl monopolisiert hat. Der habe schon römische Grillgewürze aus Karthago verkauft und vor lauter Ingwer hervorstehende Augen, witzelt Kröll. Über den Biergarten nähert er sich einem kulturellen Grundzustand an, der überall auf der Welt gleich sei, sagt er. Der Mann sei besoffen und die Frau "zwida", was Kröll in einer wunderbar komischen Groteske gipfeln lässt, in der ein Fußballtorwart nach der Aufstiegsfeier seiner Mannschaft und etlichen genossenen Bieren seine Freundin noch zu amourösen Abenteuern verführen will.

Über solche Alltagsassoziationen kann das Publikum am meisten lachen. Doch manchmal kommt Krölls Programm fast schon einer Geschichtsvorlesung an der Universität nahe, worin auch dessen größte Schwäche liegt. Langweilig wird es zwar nie, zu amüsant, unterhaltsam und informativ kann Kröll erzählen. Doch Kabarett lebt nicht zuletzt davon, das Groteske und Widersprüchliche unseres Alltags herauszuarbeiten. Und davon bräuchte es noch ein wenig mehr, damit der Abend vollständig überzeugen könnte.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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