Politik und Kunst:Unersprießliches an der Quelle

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Sabrina Hohmann mit zwei Werken: Eselin "Bella" und Ameisenhaufen. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Kulturpreisträgerin des Landkreises Sabrina Hohmann wird ihr Atelier gekündigt, weil die historische Wirtschaft zu Ferienwohnungen umgebaut werden soll. Die Gemeinderäte votieren mehrheitlich dafür - weil sie fälschlicherweise annehmen, dass die Künstlerin ausziehen will

Von Klaus Schieder, Wackersberg

Es sind schwere Zeiten für Sabrina Hohmann. Die renommierte Künstlerin lebt seit fast 20 Jahren in der ehemaligen Quellenwirtschaft am Fuße des Blombergs, an jenem historischen Ort also, wo 1845 die Jodquelle entdeckt wurde, die Tölz zu Bad Tölz machte. Dort am Sauersberg hat sie ihr Atelier, erschafft sie ihre Werke, organisiert sie Ausstellungen, bringt sie junge Künstler unter, lässt sie auch den Kirchenchor proben. All dies wird jedoch bald im Imperfekt stehen müssen. Denn die Kulturpreisträgerin des Landkreises verliert voraussichtlich ihr Zuhause. Die Jod AG hat ihr gekündigt, um die alte Wirtschaft für Ferienwohnungen umzubauen. "Es ist meine gesamte Lebensexistenz, in die ohne Not hineingegrätscht wird", sagt die 53-Jährige.

Ihr persönliches Schicksal mag Sabrina Hohmann allerdings gar nicht an die große Glocke hängen. Was sie wirklich geärgert hat, ist die Widerstandslosigkeit, mit der die meisten Gemeinderäte dem Vorbescheidsantrag der Jod AG im Frühherbst zustimmten - lediglich drei von elf votierten gegen die Umwandlung in Ferienwohnungen. "Dass man sich das so einfach aus der Hand nehmen lässt, hat mich persönlich gekränkt", sagt die Künstlerin. Das war im Jahr 2000 noch ganz anders, als sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Andreas von Weizsäcker die alte Wirtschaft pachtete. Seinerzeit stemmte sich der Gemeinderat anfangs mit einiger Vehemenz gegen den Plan, das Wirtshaus in ein Kunstatelier mit Wohnung zu verwandeln.

Das traditionsreiche Anwesen hat die Künstlerin nicht nur für sich genutzt, sondern auch als Treffpunkt zur Verfügung gestellt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Haus am Sauersberg, in dem der Klee Toni als Wirt einst mit seinem "Quellen-Trio" aufspielte und bekannte Musikanten wie den Kraudn Sepp anlockte, stand zu dieser Zeit seit sieben Jahren leer und war kaum mehr als eine Ruine. "Es hat keine Heizung gehabt", sagt Sabrina Hohmann. Zusammen mit ihrem Mann sanierte sie die alte Wirtschaft mit ihren saalhohen Räumen, beschäftigte Handwerker aus Wackersberg, erledigte manche Arbeiten auch selbst. Dem damaligen Vermieter Max Hoefter von der Jod AG war sie deshalb nicht gram. Im Gegenteil: "Ich sehe das mehr oder weniger als abgegolten, weil wir immer eine sehr günstige Pacht hatten." Das Verhältnis zum alten Herrn Hoefter sei von Respekt und Dankbarkeit geprägt gewesen, sagt die Künstlerin: "Wir haben uns aneinander gefreut."

Immer ein offenes Haus

Das Künstler-Ehepaar schottete sich in der Quelln am Sauersberg nicht ab, sondern öffnete das Atelier immer wieder für die Öffentlichkeit. "Die Lebensrealität ist auch, dass dieser Ort einen identifikatorischen Wert für die Gemeinde hat - es ist dort, wo sich Menschen und ihre Geschichten versammeln", sagt Sabrina Hohmann. Da gab es die Kurgäste, die in die "Restauration" pilgerten, da lebten die Quellen-Anni und die Quellen-Lisl, die auszogen, weil 1959 elektrischer Strom dorthin verlegt wurde, da musizierte der Kraudn Sepp. Auf eigene Kosten organisierte die Künstlerin, die ihre Werke bundesweit und unter anderem im Haus der Kunst in München zeigt, außerdem Preise und Stipendien erhielt, selbst etliche Ausstellungen. "Das kostet viel Geld, ist aber ein Gewinn, denn was gibt es Schöneres." Oder auch Veranstaltungen wie den "Historischen Biergarten, zu dem sie zum 150-jährigen Jubiläum der Quelln einlud. Oder Lesungen. Oder philosophische Fragestunden. Oder, oder.

Darauf wies sie auch in der Stellungnahme hin, die sie einen Monat nach der Zustimmung zum Vorbescheid im Wackersberger Gemeinderat verlesen durfte. Das alte Wirtshaus, in dem sie lebt, sei mit seiner Geschichte und den Menschen, die damit verbunden sind, selbst schon ein Stück Wackersberger Kultur, konstatierte sie. Und diese habe sie weiterzuführen versucht. Hernach erfuhr sie von einigen Räten, dass Anton Hoefter, Geschäftsführer der Jod AG, bei der Vorstellung der Pläne den Eindruck erweckt habe, dass sie ausziehe und er aus diesem Grund das Haus in Ferienwohnungen umgestalte. Diese umgedrehte Reihenfolge bestätigt auch Bürgermeister Alois Bauer (Wählergemeinschaft Oberfischbach): "Geklungen hat es so."

Ehe die Künstlerin vor 19 Jahren in die alte Wirtschaft einzog, musste erst ein Antrag auf Nutzungsänderung gestellt werden, weil daraus ein Künstleratelier mit Wohnung werden sollte. Nun wundert sie sich, warum dies nicht auch für die vorgesehenen Ferienwohnungen nötig sei. Dem Eigentümer könne man ein Künstleratelier nicht vorschreiben, sagt Bauer. "Die Gemeinde kann ein Gebäude nicht so zweckbestimmen." Die Quelln liege im Außenbereich, wo eine touristische Nutzung festgelegt sei. Und auf den Pachtvertrag zwischen Eigentümer und Mieter habe die Kommune keinen Einfluss. Allerdings verliert die Gemeinde einen künstlerischen Anziehungspunkt, und außer Feriengästen dürfte kaum noch jemand in die alte Quellenwirtschaft kommen. "Das ist nicht toll, das Ganze", bedauert der Bürgermeister. Mehr noch: "Es ist besonders schmerzlich." Die Option, dass die Gemeinde das alte Wirtshaus selbst kauft, sieht er jedoch nicht. Zum einen gehöre dazu "einer, der verkaufen will". Zum anderen könne eine so kleine Gemeinde, die mit dreieinhalb Angestellten rund 360 Kilometer Wanderwege, zwei Kindergärten und eine Menge Straßen unterhalten müsse, dies auch gar nicht leisten. "Ein Kunstatelier zu betreiben, geht einfach nicht, das ist keine Pflichtaufgabe."

Die Haltung von Anton Hoefter ist klar. "Es ist schade, aber wir müssen immer wieder mal unseren Immobilienbesitz prüfen und durchüberlegen", sagt der Geschäftsführer der Jod AG. Nachdem man das Haus zwei Jahrzehnte lang als Atelier vermietet habe, wolle man nun eben eine andere Nutzung - "das liegt in unserem wirtschaftlichen Interesse". Was die Kultur angeht, so gebe man Künstlern ja die Möglichkeit, in der Wandelhalle in Bad Tölz zu leben und zu arbeiten, sagt Hoefter.

Hoffnung aufs Landratsamt

Sabrina Hohmann hegt die vage Hoffnung, dass das Landratsamt den Plänen für die Ferienwohnungen vielleicht noch einen Riegel vorschiebt. Vielleicht ließen auch Gemeinderäte aus Wackersberg gegenüber der Kreisbehörde durchblicken, dass sie gar nichts dagegen hätten, wenn ihr Beschluss gekippt würde. Vielleicht. Aber darauf kann die Künstlerin ihre Zukunftspläne nicht bauen. Bis Ende Mai darf sie am Sauerberg noch wohnen, dann muss sie raus. Sie sucht nun ein altes Häuschen für sich und ihre Werkstatt. "Ich schaue mich nach etwas Kleinem um", sagt sie. Aber auch das dürfte in einem Landkreis mit horrenden Immobilienpreisen alles andere als einfach werden. Unersprießliche Zeiten für die Kulturpreisträgerin.

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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