Planungen:Der große Schrecken im Kleinen

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Archivar Simon Kalleder kündigt in seinem ersten Jahresbericht eine umfassende und personalisierte Ausstellung zur "Urkatastrophe" des Ersten Weltkriegs und dessen Auswirkungen auf das lokale Leben in der Loisachstadt an

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Das Ende des Ersten Weltkriegs jährt sich in diesem Jahr zum 100. Mal. Aus diesem Anlass gibt es zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen. Auch das Stadtarchiv Wolfratshausen wird sich in einer großen Ausstellung mit den Auswirkungen der "Urkatastrophe" des vergangenen Jahrhunderts auf die Bevölkerung befassen. Wie den Stadtarchivar Simon Kalleder am Dienstag im Hauptausschuss des Stadtrats berichtete, wird die Ausstellung vermutlich zum Volkstrauertag am 18. November eröffnen. Auch andere städtische Einrichtungen wie die Musikschule und die Bücherei und eventuell auch die Gebirgsschützen sollen sich an der Schau beteiligen.

"Wir befassen uns eher mit dem persönlichen Bereich", sagt Kalleder, der derzeit schon fleißig in der Vorbereitung ist und viel am Bayerischen Kriegsarchiv in München recherchiert. Die Folgen des großen Krieges sollen anhand von Einzelschicksalen deutlich gemacht werden. So gebe etwa das "Ehrenbuch" der Gemeinde, in dem die einzelnen Gefallenen, ihre Regimenter und Einsatzgebiete sowie die jeweiligen Verletzungen, denen sie erlagen, minutiös aufgeführt sind, Aufschluss über die Effekte im Leben der Stadt. Der große Schrecken soll laut Kalleder in der "kleinräumigen Sicht" deutlich werden. Im Mittelpunkt stehe die Frage: "Wie wirkt sich das aus, wenn ein Handwerker oder Flößer plötzlich im Ersten Weltkrieg ist?" Neben offiziellen Dokumenten will der Archivar daher vor allem persönliche Materialien aus Nachlässen wie Fotos und Feldpost zeigen. "Vielleicht bekommen wir als Leihgabe auch ein Kriegstagebuch aus Wolfratshausen."

Gerne hätte Kalleder auch den 400. Jahrestag des Prager Fenstersturzes im kommenden Jahr zu einem Anlass für eine große Ausstellung über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf Wolfratshausen genommen. Schließlich ist die Neuzeit der Schwerpunkt des Historikers. Der Schwedeneinfall habe das Oberland inklusive die Loisachstadt Wolfratshausen stark in Mitleidenschaft gezogen und sei ein "sehr interessantes" Forschungsgebiet, wie der Archivar sagt. "Aber leider ist zu wenig Material vorhanden." Im Stadtarchiv gebe es nur Akten bis etwa 1620, die relevanten Jahre zwischen 1632 und 1635 seien aber nicht dokumentiert. "Ich vermute, dass sie die Schweden vernichtet haben", sagt Kalleder. "Meines Wissens haben sie auch den damaligen Bürgermeister umgebracht und einige Häuser in Wolfratshausen in Brand gesteckt." Zu belegen sei das jedoch heute nicht mehr. Die Akten könnten auch später verloren gegangen sein. Auch im Staatsarchiv in München, wo die Akten des ehemaligen Landgerichts Wolfratshausen aufbewahrt werden, habe er keine relevanten Dokumente aus dieser Zeit gefunden. Das große historische Interesse, das Kalleder den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf Wolfratshausen widmet, lässt allerdings darauf hoffen, dass er die Episode künftig in größerem Umfang öffentlich thematisieren wird.

Im Hauptausschuss hielt der Archivar, der seit rund einem Jahr im Amt ist, zum ersten mal seinen Jahresbericht. Dabei ließ er noch einmal den Umzug vom Pumpenhäuschen am Loisachufer in die Räumlichkeiten der ehemaligen Landwirtschaftsschule, die die Stadt für etwa 2,3 Millionen Euro zu einem modernen Archiv umgebaut hat, Revue passieren. Kalleder ging ausführlich auf die Verbesserungen der klimatischen Bedingungen und die großzügige Raumsituation dort ein. Aktuell sei er noch mit einigen rechtlichen Fragen befasst, berichtete der Archivar. So müsse er etwa bei Schenkungen die Verträge überarbeiten, um die Urheberrechte zu klären. Diese würden etwa bei Fotos aus Nachlässen nicht automatisch an das Archiv übertragen. Wolle aber beispielsweise ein Sportverein die Bilder für eine Chronik verwenden, müssten die Hinterbliebenen das Urheberrecht an das Archiv übertragen.

Auch die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU beschäftigt den Archivar. Zwar sei das Stadtarchiv seiner Ansicht nach nicht besonders davon betroffen, sagt Kalleder. "Wir geben ja keine Nutzerdaten weiter." Dennoch gebe es auch unter den Archivaren wie überall große Verunsicherung über die neuen Bestimmungen. "Ich muss mich da gut informieren, damit wir nichts falsch machen", sagt Kalleder. Im Juli gebe es eine Sitzung zum Thema von der Generaldirektion der Bayerischen Staatsarchive, an der er teilnehmen werde.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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