Gedenken an die "Penzberger Mordnacht":Appelle zu Frieden und Wachsamkeit

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Erste Station des Gedenkens: das Ehrenmal am Platz An der Freiheit. (Foto: Manfred Neubauer)

Penzberg gedenkt eines grausamen Endphaseverbrechens der Nazis und blickt mit Stolz auf die "rote" Geschichte der Bergarbeiterstadt nach vorn.

Von Felicitas Amler, Penzberg

Gar nicht so einfach, aus einem derartig schrecklichen Ereignis ein hoffnungsvoll in die Zukunft gerichtetes Gedenken zu gestalten. Die Stadt Penzberg und ihre Gäste haben es am Donnerstag geschafft. Es wurde nicht nur, wie Altbürgermeister Hans Mummert (SPD) formulierte, "die Erinnerung an die Penzberger Mordnacht hochgehalten". Zusammen mit vielen jungen Leuten - Sängerinnen und Sängern der Musikschule, einer Schülerin und zwei Schülern - blickten Lokalpolitik und Bürgerschaft nach vorn. Klaus Barthel, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter aus Kochel, nannte als Lehre aus der Zeitgeschichte des "roten Penzberg", wie wichtig Solidarität sei. Wer sich aber gegeneinander ausspielen lasse, öffne den Weg für Rassismus, Sexismus und Rechtsradikalismus.

Die "Penzberger Mordnacht" ist eines der sogenannten Endphaseverbrechen der Nazis. Am 28. April 1945 - zwei Tage vor der Befreiung der Stadt durch die US-Army - wurden 16 Männer und Frauen auf grausame Weise hingerichtet. Eine Gruppe um Johann Rummer (SPD), der bis zur Machtübernahme der NS Bürgermeister gewesen war, versuchte, das für die Stadt lebenswichtige Bergwerk vor der im "Nero-Befehl" Hitlers verordneten Vernichtung aller Betriebe zu retten. Die Männer sicherten die Vereitelung eines möglichen Sprengbefehls ab, übernahmen das Rathaus, Rummer hielt aus einem Fenster eine Ansprache an versammelte Bürger und Bergleute. Doch der Aufstand scheiterte, denn der Krieg war, anders als von der "Freiheitsaktion Bayern" per Rundfunk verbreitet, nicht wirklich zu Ende. Die Männer wurden verhaftet und wegen Hoch- und Landesverrats erschossen. Eine Gruppe der NS-Untergrundbewegung "Werwolf", darunter auch Penzberger, stellte mit Unterstützung Ortsansässiger zudem eine Liste mit 120 "Verdächtigen" zusammen, die angeblich weiteren Aufruhr planten. Menschen wurden verhaftet, "im Namen des Volkes" verurteilt und erhängt. "Werwolf, SS, Polizei und Stadtwachen versuchen, die im Rathaus erstellten Listen 'abzuarbeiten'", schreibt Gisela Geiger in der städtischen Broschüre zum Thema. Einen Tag nach dieser barbarischen "Mordnacht" sind endlich die Amerikaner da.

Klaus Barthel erinnerte an die Arbeitnehmergeschichte der Stadt, an Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten. (Foto: Manfred Neubauer)

Penzberg gedachte des Ereignisses am Donnerstag am steinernen Ehrenmal beim Platz An der Freiheit, an den Ehrengräbern auf dem Friedhof und mit einer Feier in der Stadthalle. Barthel hob in seiner Ansprache die Arbeiterbewegung hervor, welche die Geschichte der Stadt geprägt habe. "Die Faschisten haben diese Stadt und ihre Bewohner so gehasst", sagte er, "hier sollte in großem Stil mit den Sozialdemokraten, den Gewerkschaften und den Kommunisten abgerechnet werden." Der SPD-Sprecher betonte, dass all jene stets gewaltfreien Widerstand geleistet hätten. Angesichts aktueller Versuche, "den Pazifismus verächtlich zu machen", betonte er, wie "heldenhaft, stark und mutig" die Menschen gewesen seien, an die man "mit Bewunderung und Stolz" erinnere.

Im Gespräch mit Autorin Kirsten Boie (rechts): Altbürgermeister Hans Mummert, Gymnasiast Jan Röntgen und Realschülerin Jasmin Banani. (Foto: Manfred Neubauer)

In der Stadthalle stand nach der Premiere des Dokumentarfilms "28. April 1945 - die Penzberger Mordnacht" von Günter Bergel das Jugendbuch "Dunkelnacht" von Kirsten Boie im Mittelpunkt. Die historisch fundierte Novelle über die Penzberger Mordnacht wird aus der Perspektive dreier fiktiver Jugendlicher erzählt. Die Hamburger Autorin las berührende Passagen aus dem Buch und diskutierte mit Altbürgermeister Mummert, Bürgermeister Stefan Korpan (CSU), der Realschülerin Jasmin Banani, dem Gymnasiasten Jan Röntgen und dem Mittelschüler Lukas Hezel. Niels Beintker vom Bayerischen Rundfunk moderierte das Gespräch, in dem alle Jugendlichen hervorhoben, wie wichtig gerade der literarische Zugang zu dem Thema für sie sei. Jasmin Banani nannte die beschriebenen Ereignisse schockierend und formulierte ein persönliches Fazit: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich meine Freunde danach aussuche, welche politische Richtung sie oder ihre Eltern haben."

Auf Beintkers Frage, wie mit dem Thema umgegangen werden solle, wenn es in absehbarer Frist keine Zeitzeugen mehr gebe, betonten alle Beteiligten die Bedeutung von Dokumentationen und Wort, Bild und Film. Bürgermeister Korpan appellierte an Lehrkräfte, alle Medien und Möglichkeiten zu nutzen, welche die Stadt zum Thema Mordnacht biete: das Stadtmuseum, die gerade erst verlegten "Stolpersteine", Literatur, Gedenkorte.

Zweite Gedenkstation: die Ehrengräber der von den Nazis Ermordeten. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Feier wurde auf thematisch wunderbar abgestimmte Weise von Günther Pfannkuchs Vocalensemble und Kammerorchester Penzberg umrahmt. Besonders bewegend: Das von Häftlingen des KZ Börgermoor geschriebene "Lied der Moorsoldaten" und Hannes Waders pazifistisches Lied "Es ist an der Zeit" in einer orchestral begleiteten Version mit dem Gesangssolisten Markus Bocksberger (PM), dem Zweiten Bürgermeister der Stadt. Waders Text ist ein Schwur, "für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein" - nicht nur mit Blick auf die Zeitgeschichte, sondern auch angesichts aktueller Kriege auf der Welt ein ergreifendes Bekenntnis.

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