Penzberg:Traum und Trauma

Lesezeit: 2 min

Die beiden syrischen Flüchtlinge Mahmoud Darwisch und Abdulghafour Hussein setzen sich künstlerisch mit ihren Erfahrungen auseinander. Ausstellung in der Penzberger Stadtbücherei

Von Sabine Näher, Penzberg

Gegensätzlicher könnten die Exponate in der Penzberger Stadtbücherei kaum sein: Die Fotos des jungen Syrers Mahmoud Darwisch sind bezaubernde Naturaufnahmen mit intensiv leuchtenden Farben und optimistischer Botschaft. Die Bilder seines Landsmanns Abdulghafour Hussein sind surrealistische Kompositionen von Körperteilen, Gegenständen und karger, verwüsteter Landschaft, die auf den ersten Blick verstören. Wenn man sich auf beides näher einlässt, findet sich indessen die Gemeinsamkeit: Der Fotograf beschwört geradezu die Schönheit und Unberührtheit der Natur, um das erlebte Grauen zu kompensieren; der Maler zeigt dagegen unmittelbar seinen Prozess der Auseinandersetzung mit diesem Grauen.

Darwisch hat seinen Fotos einen Text beigefügt, der zutiefst bewegt: "Als ich so jung war, war so wunderschön und brillant mein Leben (...) Aber als der Krieg begann in meinem Land, erhöht meine Sorgen und Standhaftigkeit (...) Dann habe ich entschieden, mein Land zu verlassen. Und ließ die schönsten Erinnerungen und das teuerste, was ich habe, meine Familie (...) Die Natur ist das Stück charmante, was macht sie fliegen in den Himmel (..) um von dem aus eine Vorstellung vom Paradies zu halten."

1 / 3
(Foto: Harry Wolfsbauer)

Verletzung und Tod tauchen in den Bildern Abdulghafour Husseins auf. Die surrealistische Bildsprache erinnert an Salvador Dalí.

2 / 3
(Foto: Harry Wolfsbauer)

Mahmoud Darwisch zeigt Naturaufnahmen...

3 / 3
(Foto: Harry Wolfsbauer)

...mit intensiv leuchtenden Farben.

Eva Engel vom Weilheimer Unterstützerkreis Asyl, die den Fotografen und den Maler seit zwei Jahren begleitet, erzählt, dass Darwisch mit seinem Handy zunächst die Natur an der Ammer fotografierte. Bei Ausflügen in die Berge fand er dort seine weiteren Motive. Aus mehr als 2000 Fotos hat er nun ein paar, die ihm ganz besonders gefallen, für die Ausstellung in der Stadtbücherei ausgewählt. Eine strahlend gelbe Blüte zieht den Betrachter in sich hinein, ein tiefroter Sonnenuntergang am See entfaltet dichte Atmosphäre, Spinnweben mit glitzernden Tautropfen entzücken. Darwisch hat den Blick für das Detail, für die versteckten Schönheiten.

Husseins Bilder erinnern alle Ausstellungsbesucher an Salvador Dalí. Der jedoch hat meist witzige Botschaften im Bild versteckt, bei dem syrischen Maler sind es eher Grausamkeiten. Ein Kind, auf den Boden hingestreckt - man möchte glauben, es schliefe. Für Menschen mit unmittelbarer Kriegserfahrung ist die Botschaft dagegen sicher eindeutig: Es ist tot. Ein Frauentorso, Kopf, Schulter, ein Arm, in einem leuchtend roten Kleid - wie eine zerfetzte Leiche. Immer wieder finden sich Körperteile mit Gegenständen im verstörenden Dialog. Die Natur wird nicht in blühender Schönheit, sondern verletzt dargestellt: Baumskelette, endlose Sandwüsten, versickerndes Wasser. Ins Auge fällt ein Bild, das ein aufgeklapptes Buch zeigt: Auf dessen linker Seite eine karge, zerstörte Landschaft, auf der rechten eine üppige Vegetation an einem breiten Strom; in der Buchmitte steigt eine Rauchsäule auf. Vorher, nachher - Realität, Traum?

Abdulghafour Hussein hat sich der surrealen Kunst verschrieben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Katrin Fügener, die Leiterin der Stadtbibliothek, erzählt in ihrer Begrüßung, dass Darwisch einer der ersten syrischen Asylbewerber gewesen sei, die im September 2014 nach Penzberg kamen. Er ging sofort in die Stadtbibliothek, um ein (damals noch gar nicht vorhandenes!) Wörterbuch Deutsch-Arabisch zu suchen. So sei der Kontakt geknüpft worden, der junge Syrer half später tatkräftig beim Umzug der Bibliothek mit.

Im März 2015 wurde er nach Weilheim verlegt, wo er Abdulghafour Hussein kennenlernte. Der kurdische Maler lebt seit drei Jahren in Deutschland. Er ist 2006 aus Syrien geflohen und verarbeitet seine Erlebnisse seither in seinen surrealen Bildern, die schon in zahlreichen Ausstellungen gezeigt wurden. "Derzeit sucht er dringend nach einem Atelier", sagt Eva Engel. "Das darf gerne auch eine Scheune irgendwo auf einem Hof sein." Am Samstag, 18. März, wird Hussein bei der Weilheimer Volkshochschule einen Workshop geben: "Zeichnen für Anfänger und Fortgeschrittene". Zuhause kann er sich in der neuen Heimat aber noch nicht fühlen. "Das wird bestimmt noch fünfzehn Jahre dauern", meint er mit einem traurigen Lächeln. Auch Darwisch erklärt mit Entschiedenheit: "Etwas wie das Heimatland gibt es nicht noch einmal!" Doch der junge Mann scheint in der Wahlheimat angekommen zu sein: Er kann sich gut auf Deutsch verständigen und hat eine Ausbildung zum Zimmermann begonnen.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: