Penzberg:Sechs Quadratmeter pro Person

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Beim Tag der offenen Tür drängen sich gut 80 Penzberger in der neuen Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Anke Ringel vom Helferkreis findet das Haus schön: "Die Flüchtlinge wissen das sehr zu schätzen"

Von Konstantin Kaip, Penzberg

Wie viel Platz steht einem Menschen zum Wohnen zu? Bei den Penzbergern, die am Freitag in die Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber an der Nonnenwaldstraße 14 gekommen sind, um sich den Neubau beim Tag der offenen Tür anzusehen, taucht diese Frage als eine der ersten auf. Die Besucher drängen sich in ein Zimmer im Erdgeschoss, in dem zwei Stockbetten und ein Einzelbett stehen, dazu schmale Blechspinde in der Mitte des Raumes. Man rechne mit 16 Quadratmetern pro Person, sagt eine Frau, die mit anderen Besuchern das Zimmer inspiziert. Sie wird von Maximilian Bair korrigiert: Durchschnittlich sechs Quadratmeter pro Bewohner seien in deutschen Gemeinschaftsunterkünften Standard, sagt der zuständige Koordinator der Regierung von Oberbayern.

Zu jedem Zimmer gibt es ein Bad mit Dusche und Toilette, sowie eine Küche mit Herd, Kühlschrank, Spüle und Esstisch. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Regierung ist als Betreiber der GU an diesem Abend Gastgeber, zusammen mit dem Dienstleister European Homecare, der mit der Verwaltung beauftragt ist. Bair erklärt das Konzept des Neubaus: Zu jedem Zimmer gibt es ein Bad mit Dusche und Toilette, sowie eine Küche mit Herd, Kühlschrank, Spüle und Esstisch. Insgesamt 13 Wohngruppen gibt es im Haus, mit fünf, acht oder zehn Betten, eine mit zweien. In Wohneinheiten übernähmen die Bewohner mehr Verantwortung, hielten Bad und Küche sauber, sagt Bair. Einige Besucher wundern sich, dass auch in der Küche ein Stockbett steht. Auch bei European Homecare sei man anfangs irritiert gewesen, sagt Einrichtungsleiterin Margerita Anthony. "Aber das stellen sich die Leute dann so um, wie sie es wollen."

Die Toiletten in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge sind hell. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Interesse ist groß. Nach etwa einer halben Stunde drängen sich gut 80 Penzberger in den Gängen des dreistöckigen Hauses. Es ist eine von zwei fast baugleichen Wohnanlagen in der Nonnenwaldstraße. Die erste wurde Ende September 2016 an die Regierung übergeben und wird seit Dezember belegt. Derzeit wohnen dort 71 junge Männer, die alle vorher in der dezentralen Unterkunft des Landkreises im ehemaligen Edeka-Gebäude in Penzberg untergebracht waren. Die Asylbewerber seien gut integriert, sagt Bair, das Zusammenleben funktioniere "relativ problemlos". Die zweite Wohnanlage soll von Mitte März an etappenweise belegt werden. Wer dort einzieht, sei noch offen, sagt Bair. "Wir melden den Freistand, und die Regierungsaufnahmestelle weist dann zu." Acht erwachsene Männer, die sich nicht kennen, in einem Raum, das sei eine "denkbar ungünstige Situation", sagt ein Mann. Eine ältere Dame widerspricht: "Da hätten Sie mal 1945 nach Penzberg kommen sollen." Mit Familien sei das Konfliktpotenzial wohl geringer, sagt eine andere Besucherin. "Dann gibt es keinen Streit, wer als erster duschen darf." Er könne sie beruhigen, sagt Bair. "Wenn hier nur Männer einziehen würden, hätten wir draußen keinen Spielplatz gebaut."

Mehr als 80 Penzberger begutachten am Freitag die neue Unterkunft für Asylbewerber an der Nonnenwaldstraße und stellen Fragen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Unter den Besuchern sind auch die Penzberger Bürgermeisterin Elke Zehetner (parteifrei) und Kreiskämmerer Norbert Merk. Schließlich sind die Gebäude eine Gemeinschaftsproduktion: Die Stadt hat das Grundstück ausgewählt, Baurecht geschaffen und es dem Landkreis Weilheim-Schongau in Erbpacht übergeben. Der Kreis hat die Gebäude in Hybridbauweise errichten lassen, also als Kombination aus Tragwänden im Holzständerbau mit Geschossdecken aus Spannbeton - für "ziemlich genau fünf Millionen Euro", sagt Kreiskämmerer Merk. Die Miete, die die Regierungin den kommenden zehn Jahren zahle, sei kostendeckend. "Das Ziel war, dass die Stadt Penzberg einen Mehrwert hat." Schließlich hielten die Gebäude länger und könnten möglicherweise später auch für Studenten, Azubis oder sozial schwache Familien genutzt werden, sagt Bürgermeisterin Zehetner.

Die GU weist in beiden Wohnanlagen 187 Plätze auf. Wenn die Belegung abgeschlossen ist sollen dort zwei Hausmeister, Leiterin Anthony und eine weitere Verwaltungskraft arbeiten. Im bereits bewohnten Gebäude gibt es ein Zimmer für die Asylsozialberatung, wo der Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch" an vier Tagen pro Woche Sprechzeiten anbietet. Der örtliche Helferkreis nutzt die Gelegenheit, bei Bair einen Sicherheitsdienst für die Nächte und Wochenenden zu fordern. Weil der in den GU der Regierung nicht vorgesehen war, gab es in Wolfratshausen und Geretsried Proteste. Nun sollen in einem Pilotprojekt die Voraussetzungen für eine Security geklärt werden. Man habe sich mit der Frage intensiv beschäftigt und sie auch im Sprachunterricht zum Thema gemacht, sagt Anette Völker-Rasor, Lehrerin im Erstorientierungskurs und Patin beim Penzberger Helferkreis. Manche Flüchtlinge wollten wegen schlechter Erfahrungen keinen Sicherheitsdienst. Andere aber wünschten sich eine Security - "zur eigenen Sicherheit." Die Unterkunft an der Nonnenwaldstraße sei schön geworden, findet Anke Ringel vom Helferkreis. "Die Menschen haben schon Schlimmeres erlebt", sagt sie. "Sie wissen das sehr zu schätzen."

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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