Penzberg:Dramatisches Flehen um Regen

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Ein ungewohnt leichter, baritonal gefärbter "Elias": Christian Maria Schmidt bei seinem Auftritt in der Penzberger Stadtpfarrkirche. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Vocalensemble Penzberg und Solisten schaffen mit dem "Elias" starke und berührende Momente

Von Sabine Näher, Penzberg

Wie in einem Prolog vor Beginn eines Theaterstücks lässt Felix Mendelssohn Bartholdy den Protagonisten seines Oratoriums "Elias" vor der Ouvertüre eine von Blechbläsern düster ummalte Botschaft verkünden: "So wahr der Herr, der Gott Israels, lebet, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen geben, ich sage es denn." Ein Beginn wie ein Paukenschlag in der ausverkauften Penzberger Stadtpfarrkirche am Sonntagabend.

Wer als Elias einen gestandenen, dunklen Bass im Kopf hat, wird mit der eher leichten, baritonal gefärbten Stimme Christian Maria Schmidts erst ein wenig fremdeln. Dann folgt die gewohnte Orchestereinleitung, und schon in den ersten Minuten kann Günther Pfannkuch seine große Gestaltungskraft deutlich machen: Die Ouvertüre ist ein herrlich gebauter Spannungsbogen, der zum ersten Einsatz des Chores hin immer dichter wird, so dass der Aufschrei des Volkes "Hilf, Herr!" seine gewaltige Wirkung entfalten kann. Das Vocalensemble Penzberg und das Sinfonieorchester im Pfaffenwinkel erweisen sich als bestens einstudiert. Das erste Duett der Solistinnen "Zion streckt ihre Hände aus", verflochten mit dem bittenden Chor "Herr, höre unser Gebet", wirkt höchst anrührend. In seinem ersten Rezitativ und der folgenden Arie vermag Tenor Kevin Conners mit ausdrucksvoller Gestaltung zu überzeugen. Ob man seine eher enge Stimme, die er mit viel Vibrato führt, mag, ist dagegen Geschmackssache.

Im Übrigen wird dem Tenor hier viel abverlangt: Er hat erst relativ wenig zu tun und muss dann nach Eindreiviertelstunden Ausharren in der meist kalten Kirche gegen Ende ein stimmliches Wunder vollbringen, indem er musikalisch die Sonne aufgehen lässt ("Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich"). Rachael Wilson kann in ihrem ersten Rezitativ als Engel mit ihrem wunderbar dunkel timbrierten, warmen, vollen Alt völlig überzeugen. Interessant übrigens, dass Mendelssohn den Engel, der zumeist für den Sopran reserviert scheint, der Altistin anvertraut. Die Sopranistin Judith Spiesser hat bald darauf ihr erstes Solo als Witwe und Mutter eines kranken Sohnes. Sie präsentiert eine schlanke, bewegliche Stimme mit müheloser Höhe, was hier unbedingt erforderlich ist, da sie später auch den Knaben darstellen muss, der auf Elias' Geheiß den Himmel nach den ersehnten, Regen bringenden Wolken absucht. Die Solisten verkörpern in diesem äußerst dramatischen Geschehen nämlich allesamt bestimmte Figuren, spielen also eine Rolle.

Auch der Chor ist unmittelbar aktiv am Handlungsablauf beteiligt: Vom ängstlichen Flehen der Propheten Baals ("Baal erhöre uns!"), dem Zorn der darüber aufgebrachten Volksmenge ("Greift die Propheten Baals!"), der Freude und Erleichterung über den endlich einsetzenden Regen ("Dank sei dir, Gott") , dem hitzigen Dialog mit der Königin, die Elias' Tod fordert, bis zum völlig verinnerlicht-gesammelten "Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig". Große Anforderungen, denen das Vocalensemble Penzberg weitgehend gerecht wird. Es sind Kleinigkeiten wie nicht ganz entschiedene Choreinsätze ("Du bist's, Elias!") oder eine noch dezidiertere Sprachbehandlung, namentlich über verstärkten Einsatz der Konsonanten, die den Ausdruck in den dramatisch aufgeheizten Nummern noch intensivieren könnten.

Eine solch intensivere Sprachbehandlung wäre auch bei Christian Maria Schmidt zu wünschen: Er singt den Elias zwar ganz schön, aber die innere Beteiligung wird nicht genügend deutlich. Das ließe sich durch eine stärkere Betonung des Erzählcharakters ändern. Von allen Solisten ist die Altistin hervorzuheben: Sie ist von Anfang an die ausdrucksvollste Erzählerin. Den positiven Gesamteindruck der Aufführung, die mit langem, heftigem Beifall bedacht wird, schmälert das nicht. Es bleiben viele starke, berührende Momente, die allen Beteiligten gleichermaßen zu verdanken sind.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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