Partner unterwegs:Alles im Lot

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Vier Lenggrieser Künstler beeindrucken ihre Gastgeber in der bretonischen Partnerregion Le Leff mit einem geschlossenen Ausstellungskonzept und einer Wasserwaage

Von Felicitas Amler

Es gibt Alltagsbegriffe, die lernt man in einer Fremdsprache nicht unbedingt in der Schule. Le niveau à bulle, die Wasserwaage, dürfte dazugehören. Für vier Mitglieder der Künstlervereinigung Lenggries verbindet sich mit diesem französischen Wort inzwischen eine hübsche Erinnerung. Ursula Maren-Fitz, Heidi Gohde, Jürgen Dreistein und Ecki Kober haben gerade in der Lenggrieser Partnerregion Le Leff in der Bretagne eine Ausstellung eröffnet. Selbstverständlich hatten sie außer vierzig Werken auch eine Wasserwaage im Gepäck. Für sie sei es ja völlig normal, beim Hängen von Bildern darauf zu achten, dass alles im Lot ist, sagen Dreistein und Kober. Ihre Gastgeberin in Plélo allerdings, Marie-Claire Caillebot, sei davon ebenso überrascht wie beeindruckt gewesen. Die Deutschen, die sind perfekt, habe sie festgestellt - und zu den Vernissage-Besuchern gesagt: "Da könnt ihr was lernen." Und dies war offenbar nicht der einzige Punkt, in dem die Lenggrieser Kunst-Gesandten dem Klischee vom sorgfältigen, zuverlässigen und präzisen Deutschen entsprachen.

Mehr als vierzig Jahre alt ist die Partnerschaft zwischen Lenggries und den fünf verbündeten Gemeinden Plélo, Châtelaudren, St.-Jean-Kerdaniel, Bringolo und Plouvara im Norden der Bretagne. Aber erst jetzt hat dieser Austausch eine künstlerische Basis. In der bretonischen Zeitung Oueste-France liest sich das so: Die Präsidentin der Communauté Leff, Catherine Corbel, habe erklärt: "Après de multiples rencontres entre jeunes, adultes, pompiers et autres sportifs, les Allemands ont souhaité cet échange entre artistes." (Nach vielfältigen Begegnungen zwischen Jung und Alt, Feuerwehr und Sportlern wünschten sich die Deutschen diesen Künstleraustausch.)

Die Initiative ging von der Künstlervereinigung aus, deren Sprecher Kober und Dreistein sind. Sie und ihre beiden Kolleginnen Fitz und Gohde haben in der Ferme Auberge de la Ville Andon, einem rustikalen Gehöft aus dem 15. Jahrhundert, eine Ausstellung mit dem Titel "Unterwegs - En route" eingerichtet. Es sei ihnen wie immer wichtig gewesen, nicht einfach Bilder nebeneinander zu hängen, sondern "ein geschlossenes Raumkonzept" zu schaffen, sagt Kober. Und auch dies sei den Gastgebern aufgefallen: " Ein Kunstwerk, alles aufeinander abgestimmt - sie waren total begeistert."

Dabei bestimmt zeitgenössische Kunst durchaus den Alltag der Auberge. Die Wirtsleute haben im ehemaligen Herrenzimmer des früheren Adelssitzes eine regelmäßig bespielte Galerie eingerichtet. Die Lenggrieser Gäste haben diesen Raum und dazu den Speisesaal des Hauses ausgestaltet. Mit einer poetischen Schiffchen-Installation und den "Zeitobjekten" von Ursula Maren-Fitz, mit den fast monochromen Gemälden von Ecki Kober, den Kopfbildern von Jürgen Dreistein und den in erdigen und sonnigen Farben gehaltenen Papierarbeiten von Heidi Gohde. In beiden Räumen herrschten "Lebenstöne" vor, erklärt Kober: rötlich-gelb sei der eine, rötlich mit ein bisschen Schwarz der andere.

Sie hätten schon eine Weile getüftelt, bis alles so stand und hing, "dass wir zufrieden waren", sagt Dreistein. Abends, nach fast vollendeter Arbeit, tischten die Gastgeber ihnen köstlich auf - eines der vielen ausladenden Essen, bei denen nun wiederum die Lenggrieser sich beeindruckt zeigten: "Wir wussten nicht, zu welcher Herzlichkeit die Menschen dort fähig sind", sagt Kober. "Nach vier Tagen sind wir als Freunde weggefahren."

Zu den rundum guten Erlebnissen zählten ein Muschelessen am Strand, die Begegnungen mit französischen Künstlerkollegen, die Gespräche mit dem Kulturbeauftragten Jean-Marc Imbert oder jene mit dem 90-jährigen André, der den Besuchern jegliche Befürchtung nahm, es könne alte Vorbehalte gegen Deutsche geben. André habe ihnen erklärt, für ihn hätten Deutsche und Franzosen nie einen national begründeten Krieg gegeneinander geführt, allenfalls einen Bürgerkrieg, da seien keine Aversionen.

Aversionen nicht, aber - offenbar berechtigte - Vorurteile. Denn dass die Lenggrieser mit einem vorbereiteten Text zur Ausstellung anreisten, den sie sich zu Hause schon von Christelle Kiefersauer-Mercier ins Französische hatten übersetzen lassen, und dass sie davon gleich sechzig Exemplare auslegten - typisch deutsch! Alles professionell.

Der Austausch wird im Herbst mit einem Gegenbesuch fortgeführt. Zur Kunstwoche der Lenggrieser, die diesmal unter dem Titel "Landschaft" steht, kommen zwei Kollegen aus der Bretagne: Irène Le Goaster und Guillaume Guintrand. Der Bildhauerin wird die Bühne in der ehemaligen Brauerei, die hier als Galerie dient, vorbehalten sein. Sie bringt ihre aus verschiedenen Hölzern geschaffenen "branches" (Äste) und darunter liegende überdimensionierte "grains" (Samen) mit. Und drumherum werden Kober und Dreistein wieder mit viel Sachverstand, Gefühl und einer Wasserwaage Kunst inszenieren, die mit sich im Lot ist - à l'aplomb.

© SZ vom 17.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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