Bunte Luftballons und rote Girlanden schmücken den Eingangsbereich des Tölzer Jugendcafés. Viele Besucherinnen und Besucher sind an diesem Dienstag, der zugleich Valentinstag ist, gekommen. Gefeiert wird allerdings kein Fest der Liebe, sondern die "One Billion Rising"-Party. Sie ist der Abschluss einer Reihe von Projekten für Mädchen und Frauen im Landkreis. Dafür wurde das Jugendcafé in eine Disco verwandelt, DJ-Pult und Tanzfläche inklusive. Den Rahmen der Veranstaltung bilden Auftritte von Cheerleaderinnen der Geretsrieder Mittelschule und von Sängern des Juca-Sound-Projekts. Der Höhepunkt ist die Premiere eines Videos zum Song "Break the chain". Es zeigt verschiedene Protagonistinnen in Bewegung: beim Klettern, Tanzen oder Skateboardfahren. Unter dem Applaus der begeisterten Gäste führt die Kreisjugendpflegerin Verena Peck durch das Programm. Aufstehen, tanzen und solidarisch sein - das betont sie als Ziele der Aktion.
Denn der Anlass der Veranstaltung ist ein ernster: Laut einer Statistik der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2012 erlebt weltweit jede dritte Frau einmal in ihrem Leben körperliche und sexuelle Gewalt. Vor elf Jahren rief die Feministin Eve Ensler deshalb "One Billion Rising" (Eine Milliarde erhebt sich) ins Leben, der 14. Februar wurde zum globalen Aktionstag erklärt. Seit 2016 ist die Kampagne auch im Landkreis Thema, 2017 wurde erstmals ein eigenes Programm des Kreisjugendrings angeboten. Während in den vergangenen zwei Jahren pandemiebedingt keine Live-Veranstaltungen stattfinden konnten, gab es dieses Jahr gleich mehrere Angebote. Neben dem Videodreh und der Party waren Teilnehmerinnen verschiedenen Alters zu einem Wendo-Kurs, Tanzveranstaltungen und Skateboard-Training eingeladen. Die Finanzierung erfolgte aus dem Fördertopf "Politische Bildung und Partizipation" des Jugendamtes. Beteiligt waren außerdem der Weiße Ring und der Verein Frauen helfen Frauen in Wolfratshausen. Beides sind zugleich wichtige Anlaufstellen für Frauen, die von Gewalt betroffen sind.
Insgesamt drei Monate wurden die verschiedenen Programme, die Party in Bad Tölz und das Video geplant. Im November kontaktierte Peck den "Cirque de Soleil"-Artisten Solomon Solgit, der sofort von der Idee begeistert war. Die Arbeit war intensiv, oft wurde bis in die Nacht geplant. Im Januar dann wurde innerhalb von drei Tagen an verschiedenen Schauplätzen wie der Tölzer Sportjugendherberge oder dem Jugendhaus "La Vida" gedreht. Unterstützung gab es von Benedikt Holzer, der mit seiner Medienagentur regelmäßig öffentliche Projekte im Landkreis begleitet. Das Tanzvideo sowie ein Making-Of sind auf dem Youtube-Kanal des Kreisjugendrings Bad Tölz-Wolfratshausen zu sehen.
Solgit, der die Leitung des Videodrehs übernahm und bei der Party als DJ fungierte, arbeitete in der Vergangenheit bereits mit mehr als 2500 Jugendlichen in sozialen Projekten. Daher verfügt er über Möglichkeiten, Kampagnen wie den "One Billion Rising"-Day im Landkreis bekannt zu machen. "Es ist motivierend zu sehen, wie viele Menschen mitgemacht haben", sagt Solgit. Jugendliche würden durch Projekte wie dieses ermutigt, für sich und andere einzustehen. Auch den Teilnehmerinnen ist ihre Begeisterung anzumerken. Lucy Charlotte Schießl ist mit ihrer Cheerleading-Gruppe nicht nur im Video zu sehen, sondern tanzt auch an diesem Abend im Jugendcafé. Die Zwölfjährige erzählt, dass "One Billion Rising" sie in ihrer eigenen Identität als lesbisches Mädchen bestärkt hat: "Ich bin gern dabei und möchte das auch in Zukunft bleiben."
Das Fazit von Verena Peck fällt ebenfalls sehr positiv aus. "Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Wir sind überall auf offene Ohren gestoßen", berichtet sie. Ob es im kommenden Jahr eine ähnliche Kampagne gibt, ist noch nicht bekannt. Doch "One Billion Rising" ist eine Herzensangelegenheit der Organisatoren, Solgit jedenfalls sagt: "Ich wäre sofort wieder dabei!"