Oberlandler Volkstheater:Innenansichten eines Mythos'

Lesezeit: 2 min

Bislang drei Mal ausverkauft in Penzberg: Das Bühnenstück erzählt die Geschichte des Räuber Kneißl aus der Sicht seiner kleinen Schwester. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Penzberger Aufführung "Mein Bruder, der Räuber Kneißl" begeistert

Von Sabine Näher, Penzberg

Zu Beginn stehen alle Darsteller, zum Tableau erstarrt, auf der Bühne und Cilli stellt sie dem Publikum vor. Eine tolle Idee der Regisseurin Steffanie Jablonsky, die den Zuschauer der Aufführung des Oberlandler Volkstheaters in der Penzberger Stadthalle sofort mitten ins Geschehen versetzt und mit Anteilnahme auf das Schicksal der Figuren schauen lässt. "Mein Bruder, der Räuber Kneißl" hat Christian Schönfelder sein packendes Bühnenstück benannt, das am Freitag zum dritten Mal gezeigt wurde und in dem Kneißls kleine Schwester Cäcilia, als erwachsene Frau zurückschauend, dessen Leben erzählt.

Jablonskys gute Regieeinfälle ziehen sich durch das ganze Stück; sie inszeniert mit Gespür für das richtige Tempo, guter Personenführung und dem Verzicht auf Entbehrliches. So gelingt ein dichter, packender Abend, der immer wieder vergessen lässt, dass man sich im Amateurtheater befindet. Dazu braucht es natürlich auch die geeigneten Darsteller: Beeindruckend, aus welcher Fülle an überzeugenden Schauspielern das Oberlandler Volkstheater schöpfen kann. Da Georg Ringsgwandl für die musikalische Seite verantwortlich zeichnet, wird den Akteuren mehr als nur Spielen abverlangt: Sie müssen singen, nur von einer Gitarre begleitet, und sie müssen rappen. Das erfordert nicht nur sängerisches Vermögen, sondern auch ein gutes Rhythmusgefühl - und nicht zuletzt ganz einfach Mut.

Was es mit dem Räuber Kneißl auf sich hat, dürfte weitestgehend bekannt sein. Doch diese Innensicht auf die Geschehnisse taucht die Abläufe in ein neues Licht. Matthias Kneißl, der Hias, ist in dieser Inszenierung ein durch und durch sympathischer Mensch mit großer Liebe zu seiner Familie und einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Den jungen Hias verkörpert Benedikt Bocksberger, den erwachsenen Kilian Calliari - beide gleichermaßen souverän. Bettina Calliari als Cilli ist eine bezaubernde Erzählerin, Anni Gsimsl als ihr junges alter ego ebenso impulsiv wie liebenswert. Die große Schwester Kathi (Michaela Rössle/Lilo Bocksberger) ist ein entzückendes Mädchen, das viel zu früh erwachsen werden und die Verantwortung für die kleinen Geschwister übernehmen muss. Denn Vater und Mutter Kneißl (Catrin und Markus Bocksberger) geraten mit dem Gesetz in Konflikt - aus der Not heraus, die Familie ernähren zu müssen, da ihr Gasthaus mehr schlecht als recht läuft. Denn die Kneißls werden gemobbt im Dorf, so würde man heute sagen; die Gaststube bleibt leer. So geht die Mutter in den Wald zum Wildern. Bei dem Versuch, geraubtes Kirchengut zu verkaufen, wird sie verhaftet. Der Vater, der sich der Verhaftung zuhause widersetzt, wird verletzt und kommt auf ungeklärter Weise im Gefängnis zu Tode. Die Geschwister leben nun alleine. Als zwei Gendarmen auftauchen, verliert der älteste Bruder Alois (Hannes Lenk/Valentin Lenk), der ohnehin zu Gewaltausbrüchen neigt, die Nerven und schießt auf sie. Diese Tat wird zu Unrecht dem Hias angerechnet. Nach der Haftzeit will er gleichwohl ein bürgerliches Leben beginnen. Doch sein Meister entlässt ihn, obwohl er seine Arbeit schätzt: Dem Druck seiner Kunden, die mit dem Zuchthäusler nichts zu tun haben wollen, hält er nicht stand. Da Hias so gerne mit seiner Mathilda (Arabella Schäffler als wunderbar unerschrockene, starke junge Frau) nach Amerika gehen möchte, um ein neues, besseres Leben im gelobten Land anzufangen, lässt er sich zu einer krummen Sache überreden. Doch er fliegt auf, flieht in den Wald und beginnt ein Räuberleben nach dem Vorbild Robin Hoods. Als man ihn verrät, erschießt er einen Verfolger. Aus dem insgeheim bewunderten Räuber Kneißl wird ein Mörder, die Stimmung kippt. Am 5. März 1901 sind schließlich 150 Mann Gendarmerie im Einsatz, die das Haus, in dem Hias zum letzten Mal seine Mathilda treffen wollte, 30 Minuten lang beschießen. Er wird schwer verletzt verhaftet und zum Tode verurteilt. An einem Montag soll das Urteil vollstreckt werden. Seine letzten Worte: "Die Woch' fangt ja scho guad o..." In Penzberg aber endet es mit langem, zu Recht begeistertem Applaus als Dank für das ganze Team.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: