Neues Stadtbild:Geretsrieder Kunstmeile

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Das Rathaus gibt eine zwei Meter hohe Skulptur in Auftrag - sie soll der Ausgangspunkt eines ganzen Wegs mit Werken am Karl-Lederer-Platz werden. Der Bürgermeister meint: Die Stadt kann sich nicht auf ewig nur über Krieg und Vertreibung definieren.

Von Thekla Krausseneck und Felicitas Amler, Geretsried

Der Geretsrieder Skulpturenweg nimmt seinen Lauf: Die Stadt hat am Dienstag den Ankauf einer zwei Meter hohen Bronze des Mooseuracher Bildhauers Otto Süßbauer beschlossen. Sobald diese Arbeit geliefert ist, besitzt Geretsried zwei Skulpturen, die ihren Platz im öffentlichen Raum noch finden müssen - Süßbauers "Geher" und Hans Neumanns hölzernes Pferd mit dem Titel "Flucht" - und eine, die bereits steht: Hans Kastlers Gorilla. Bürgermeister Michael Müller (CSU) ist damit seiner vor eineinhalb Jahren erstmals öffentlich geäußerten Idee einen Schritt näher gekommen: Ihm schwebt ein Skulpturenweg als Verbindung vom Stadtmuseum an der Graslitzer Straße zum Rathaus und weiter auf den Karl-Lederer-Platz vor - womöglich sogar noch darüber hinaus bis zur evangelischen Petruskirche, denn dort steht bereits eine Bronze-Arbeit Süßbauers, wenn auch im kirchlichen Besitz: die Vaterunser-Säule.

Den "Geher" kauft die Stadt für 37 450 Euro. Die Figur soll auf dem Karl-Lederer-Platz aufgestellt werden, der im kommenden Jahr neu bebaut und gestaltet wird. Er soll - auch dies ein Impuls des Bürgermeisters - der wichtigste urbane Stadtplatz werden.

Kunst im öffentlichen Raum sei identitätsstiftend für eine Stadt, sagte Kulturamtsleiterin Anita Zwicknagl am Dienstag im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrats. So werde sie häufig auf den Gorilla des verstorbenen Künstlers Hans Kastler angesprochen. Die Skulptur, ebenfalls aus Bronze, steht an der Zentrale der Baugenossenschaft an der Ecke Egerlandstraße/ Karl-Lederer-Platz.

Der Gorilla sei jedoch deutlich günstiger gewesen als der "Geher" Otto Süßbauers, deutete der Zweite Bürgermeister Hans Hopfner (SPD) an. "35 000 Euro ist ein stolzer Preis", fand er. Auf seinen Vorschlag, darüber noch einmal zu verhandeln, ging der Ausschuss jedoch nicht ein. "Kunst hat ihren Preis", sagte Dritter Bürgermeister Gerhard Meinl (CSU).

Einig war sich der Stadtratsausschuss darin, dass mit dem Kauf der Skulptur auch die Rechte an die Stadt gehen sollten. Eine kleine Ausführung des "Gehers" war heuer als Kulturpreis an Ingeborg Heinrichsen überreicht worden; sollte die Stadt nun auch die Verwertungsrechte bekommen, will sie künftig alle Kulturpreise in diesem Design halten. Der "Geher" sei von der Stadt ausgewählt worden, weil er die Idee des "Kommens und Gehens, der Flucht und der Vertreibung" widerspiegele, Themen also, die Geretsried besonders prägten, sagte Zwicknagl.

Otto Süßbauer freut sich über die "gute Entscheidung", er war am Mittwoch noch nicht von der Stadt darüber informiert worden. Der Bildhauer rechnet mit einigen Monaten Arbeit für die große Ausführung des "Gehers". Dazu baut er zunächst ein Modell aus biegsamem Lochblech, das vorn und hinten vergipst wird. Da die Arbeit hohl ist, muss er noch Edelstahlrohre einbauen. Dann wird das Modell bei Kirchner in Ascholding gegossen, dafür setzt der Künstler rund 12 000 Euro an. So erklärt sich am Ende auch der Preis des Kunstwerks. Nach einer üblichen Bildhauerregel beträgt dieser soviel wie der Bronzeguss mal drei.

Süßbauer lebt als freischaffender Künstler in Mooseurach bei Königsdorf. Nach dem Abitur studierte er autodidaktisch Malerei und Grafik, ehe er sich Ende der Achtzigerjahre der Bildhauerei zuwandte. In der Gießerei Kirchner in Ascholding erlernte er die Verfahren des Schweißens und Bronzegießens. Seit Ende der Neunzigerjahre leitet Süßbauer Steinbildbearbeitungs- und Modellierkurse in Deutschland und Italien.

Nach Müllers Vorstellung kauft die Stadt weiterhin bei Gelegenheiten wie Kulturherbst-Ausstellungen Skulpturen an, um den Bestand auszubauen. So könne, meint der Bürgermeister, analog zum "Weg der Geschichte" ein "Weg der Kultur" entstehen. Geretsried könne sich nicht wie andere Städte über eine jahrhundertelange Geschichte identifizieren, aber auch nicht dauerhaft über Krieg, Vertreibung und Aufbau. Ein wichtiger Identifikationspunkt sei daher aus seiner Sicht die Kultur.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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