Neue Galerie mit Atelier:Die Kunstharz-Königin

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Mrs. Colorberry in ihrem schicken Showroom. Stephanie Walberer nutzt das Schwankl-Eck in Wolfratshausen unter anderem als Galerie. Auf Laufkundschaft legt sie allerdings keinen besondern Wert. Ihre Käufer findet sie im Internet. (Foto: Hartmut Pöstges)

Stephanie Walberer macht Resin-Art und nennt sich Mrs. Colorberry. Auf Instagram hat sie sich damit schon etabliert. Nun möchte sie die reale Welt erobern. Ihre erste Station: das Wolfratshauser Schwankl-Eck.

Von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Mrs. Colorberry lebt vom Lack. Und sie ist keine, die dünn aufträgt. Ihre bunten, glitzerigen Kunstharzbilder sind nicht gemalt, sondern geschüttet. Mit einer pinkfarbenen Tasse in den Händen kommt die 31-Jährige die Treppe in ihren nagelneuen Showroom am Wolfratshauser Obermarkt herabgeschritten. Drei Sessel, zwei grüne Tischchen aus der eigenen Kollektion - mehr Mobiliar gibt es nicht. Sonst darf es bei Mrs. Colorberry gerne etwas mehr sein: mehr Farbe und Effekt, zum Beispiel. Aber nicht nur das. Die Preise der großformatigen Arbeiten, die im ersten "Colorberry Arthouse" hängen und an riesige Achatscheiben erinnern, bewegen sich im drei- bis fünfstelligen Bereich. "Das ist erst der Anfang", konstatiert die Frau mit der runden Hornbrille. Denkt sie etwa schon an eine Filiale? "Ich strebe die Weltherrschaft an", entgegnet sie und lacht auf. Es ist unklar, wie viel Ironie in diesem Lachen liegen soll.

Mrs. Colorberry heißt eigentlich Stephanie Walberer und stammt aus der Oberpfalz. Die Stationen ihres Werdegangs zu erläutern, sei viel zu kompliziert, sagt sie und winkt energisch ab, um dann aber doch noch eine kleine Information preiszugeben: In New York habe sie eine eigene Mode-Kollektion für große Größen herausgebracht. Für welche Unternehmen sie gearbeitet habe, will sie nicht sagen: "Keine Schleichwerbung!" Lieber erzählt sie davon, wie sie die sogenannte Resin-Art für sich entdeckt und maßgeblich vorangetrieben habe. Und dass sie mittlerweile "offizieller Influencer bei Instagram" sei mit 120 000 Followern.

Wer sie bei Instagram sucht, findet "Mrs. Colorberry, Resin Artist, based in🇩🇪De/#munich, geode lover, glitter freak, lost her soul in resin, travels around the world to teach." 387 Beiträge. 112 000 Abonnenten.

Außer Frage steht, dass Walberer einen ganz neuen Akzent in der von Leerständen gezeichneten Wolfratshauser Altstadt setzt. Anfang Februar hat sie das SchwanklEck am Obermarkt bezogen, ein markantes dreistöckiges Haus, das zuletzt zwei Jahre verwaist war. Jetzt prangen große goldene Beeren - das Markenzeichen von Colorberry - auf den Schaufenstern; das Entrée atmet einen Hauch von Maximilianstraße. Für Wolfratshausen eine kleine Sensation.

Aber auch für Mrs. Colorberry, die derzeit in der Nachbarstadt Geretsried lebt, bringt der neue Auftritt offenbar Herausforderungen mit sich. Bislang sei es ihr gelungen, "undercover" zu bleiben, erklärt sie. In der Kunstszene sei sie nämlich "eine - ich möchte nicht sagen Celebrity". Sie sucht nach Worten. "Ich bin schon eine bekannte Künstlerin, das kann man so sagen, oder?", fragt sie ihre Assistentin, die gerade Pakete zuklebt. "Die größte!", antwortet diese lächelnd.

Erfolgreich ist Mrs. Colorberry allemal. Ihre Arbeiten - Bilder für bis zu 20 000 Euro, aber auch mit Kunstharz überzogene Küchenbretter zu Preisen zwischen 80 und 120 Euro - vertreibt sie übers Internet. 80 solcher Bretter habe sie am Sonntag in ihren Online-Shop gestellt, sagt sie. "Innerhalb von 24 Stunden waren alle weg." Auf Laufkundschaft setzt sie nicht. Ebenso wenig wie auf geregelte Öffnungszeiten. Wenn die Ladentür offen sei, könne jeder hereinkommen. "Aber ich habe keine Lust, mit Leuten darüber zu diskutieren, ob 100 Euro für ein Cheeseboard zu viel sind. Das sind schließlich alles Unikate."

Ist die Tür am Schwankl-Eck verschlossen, könnte es gut sein, dass Mrs. Colorberry gerade im zweiten Stock ihrer kreativen Bestimmung nachgeht. Dort hat sie sich ein lichtes Atelier mit einem großen Tisch geschaffen, auf dem viele bunte Plastikbecher stehen. In ihnen rührt sie Resin, ein Epoxidharz, mit Farbpigmenten und Härter an. 35 Minuten bleiben ihr, die zähflüssigen Gemische auf eine Unterlage zu gießen und ihnen dabei allerlei eruptive und dekorative Effekte zu entlocken. Danach setzt die Chemie dem Spaß ein Ende. Das bunte Harz härtet zu einer abwaschbaren Lackschicht aus.

Dass sie "zur Kunst gefunden" habe, sei reiner Zufall gewesen, erzählt Walberer. Vor neun Jahren sei sie in Berg bei Starnberg gelandet und habe dort eine Art Midlife-Crisis durchlebt: "Soll das schon alles gewesen sein?" In diesem Tief habe sie "wie Hobbymaler" zum Pinsel gegriffen und mit Acrylfarben zu experimentieren begonnen. Ihr Glück sei es gewesen, auf die Resin-Art zu stoßen, die in Amerika und Australien weit verbreitet sei. Und dann habe sie sich eine lukrative Nische gesichert: die Technik, Achatscheiben zu imitieren. In ihre oft organisch geformten, ringförmig gefärbten Kunstharzgebilde arbeitet sie Quarze und andere Schmucksteine ein, Geoden, aber auch Swarovski-Kristalle.

In manchen Augen ist das gigantischer Edelkitsch, in anderen angesagter Lifestyle. Ihre Kunden, sagt Walberer, seien "Leute, die Ahnung haben". Leute, die sich so ein "It-Piece" einfach leisten wollten. Sie kämen aus Kanada und Japan, Dubai und Delhi. Auftragsarbeiten fertige sie auch bei laufender Kamera an. Die Geldgeber schickten ihr vorab Pakete mit Kissenbezügen oder Tapentenproben, so dass sie ihre Farben exakt darauf abstimmen könne. "Das muss dann schon passen."

Walberer sagt, sie sei "ein Kellerkind". In Berg habe sie ihr Erspartes aufgebraucht, um sich Resin zu kaufen, und Kurse in einer Garage gegeben. Im Schwankl-Eck hat sie nun ein Studio unterm Dach, das sie auch an andere Künstler für Workshops vermieten will. Sie selbst unterrichte nur an Wochenenden. Die aber seien bis zum Jahresende so gut wie ausgebucht. "Die Leute kommen aus aller Welt, um Mrs. Colorberry zu treffen." Zudem bringt sie ihr eigenes Arbeitsmaterial heraus. 13 Farben in schick designten kleinen Dosen stapeln sich in einem Regal, das neben ihrem Schreibtisch im ersten Stock steht. Ihre Assistentin, sie heißt Natalja Kinzel, verpackt gerade Holzmalgründe, die ebenfalls das goldene Beerenzeichen tragen und über ihren Online-Shop vertrieben werden. "Aus meinem Künstlerdasein hat sich eine Marke entwickelt."

Und wie will sie das alles alleine schaffen: Unikate produzieren, ihr Material vermarkten, unterrichten, neue Filialen gründen? Auch darüber hat sie natürlich schon nachgedacht. Das Konzept sei ganz einfach. Gerade werde ihre Assistentin von ihr angelernt und "eingeschult als erster Colorberry-Resin-Künstler", erklärt sie. Dann dürfe auch Natalja Kinzel unterrichten. Entwertet das nicht ihre Bedeutung? Sie winkt ab. Das sei wie bei Mc Donald's: "Es gibt überall auf der Welt Restaurants, aber nur einen einzigen Ronald McDonald. Und Ronald Mc Donald ist Mrs. Colorberry. Und Mrs. Colorberry, das bin ich."

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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