Musik in Schäftlarner Kirche:Schwungvolle Preziosen

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Pierre Schuy an der Orgel und Günter Graf am Saxofon gaben ein Konzert zum Reformationsjahr. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Konzert zum Reformationsjahr hält sich nicht bei Luther-Chorälen auf

Von Reinhard Szyszka, Schäftlarn

Grimmig blickte der Reformator von den Plakaten. Unter dem Motto "Ein' feste Burg ist unser Gott" gab es in der Ebenhausener Pfarrkirche Sankt Benedikt am Sonntagnachmittag ein "Konzert zum Reformationsjahr". Dass eine solche Veranstaltung in einer katholischen Kirche stattfindet, kann durchaus als ein Zeichen gelebter Ökumene und geschwundener Berührungsängste verstanden werden. Organist Pierre Schuy, der Veranstalter des Konzerts, scheute jedenfalls weder die Berührung mit Luther-Liedern noch mit Holzblasmusik, hatte er sich doch den Klarinettisten und Saxofonisten Günter Graf zur Verstärkung geholt. Die Kirchenbänke waren knapp zur Hälfte gefüllt, was angesichts des strahlenden Sommerwetters und des außergewöhnlichen Programms abseits des Mainstreams immerhin respektabel ist.

Wer aufgrund der Plakatankündigungen ("Preziosen des reformatorischen Liedguts in anderer Form") erwartet hatte, ganz oder überwiegend Bearbeitungen und Vorspiele zu Luther-Chorälen zu hören, wurde enttäuscht. Choralbezogene Musik spielte nur im ersten Teil des Konzerts eine Rolle. Der rote Faden bestand im Wechsel von Stücken mit und ohne Blasinstrument. Schuy und Graf kamen zunächst nach vorne und begrüßten das Publikum - eine freundliche Geste! Auch der kostenlos verteilte Programmzettel, der in knappen Worten doch zu jedem Werk das Wesentliche enthielt, war vorbildlich.

Das Konzert begann mit einer Toccata über "Ein' feste Burg" des US-Amerikaners Gordon Young, einem schwungvollen Werk mit perlenden Läufen im Diskant und der bekannten Choralmelodie im Bass. Derselbe Choral lieferte auch die Grundlage für das Choralvorspiel des Bach-Zeitgenossen Johann Gottfried Walther, welches den nächsten Programmpunkt bildete. Hier werden die Choralzeilen mit Vorimitation eingeführt, ein gängiges Verfahren auch bei Bach. Bei diesem Konzert war der Choral selbst der Klarinette anvertraut, und anfangs gab es leichte Koordinationsprobleme zwischen beiden Musikern, was sich in einigen ungewollten Dissonanzen bemerkbar machte. Doch Schuy ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, das Problem war bald gelöst, und das Stück ging in ungetrübter Harmonie zu Ende.

Die Choralbearbeitungen waren überwiegend der Orgel allein anvertraut, und Schuy bewährte sich mit präzisem, unaufdringlich virtuosem Spiel. Sicher könnte man aus solchen Choralsätzen ein ganzes Konzert gestalten: Was haben die Komponisten von Luthers Zeiten bis zur Gegenwart aus "Ein feste Burg" gemacht? Schuy und Graf aber gingen einen anderen Weg und präsentierten unbekannte Miniaturen der Orgelmusik und Orgel-Kammermusik, wunderschöne Stücke, die man sonst nie hört. Der "Marche solenelle" des französischen Komponisten Théodore Decker etwa, der die Marschrhythmen so mitreißend und zugleich so melodisch auf die Orgel überträgt, dass man unwillkürlich den Fuß im Takt bewegt. Oder die "Meditation" der Komponistin Cécile Chaminade, eigentlich ein Klavierwerk, aber so zwingend für Klarinette und Orgel arrangiert, dass es nicht nach Bearbeitung klingt.

So gut Günter Graf auch mit der Klarinette umzugehen weiß, auf dem Saxofon ist er so recht in seinem Element. Die "Drei Stücke" des Hamburger Organisten Andreas Willscher waren ein, wenn nicht der Höhepunkt des Konzerts. Der Mittelsatz mit dem augenzwinkernden Titel "Scherzosibus" verlangt mit ungewöhnlichen Taktmaßen den Musikern einiges ab, doch Schuy und Graf meisterten das anspruchsvolle Stück mit Bravour. Die Heiterkeit des Werks übertrug sich auf das Publikum. Zu einem weiteren, ungeplanten Gag kam es, als Graf sein Altsaxofon für Harald Heilmanns "Pastorale" nachstimmen wollte. Ein Misston schob sich dazwischen: die Glocke mit dem Sechs-Uhr-Läuten. Zum Glück unterbrach die Glocke nur das Stimmen. Mit einem Postludium von Pierre Camonin über den eucharistischen Hymnus "Pange Lingua" ging der offizielle Programmteil zu Ende, doch hatten die beiden Musiker noch eine Zugabe auf Lager, die sie zunächst nicht verrieten. Dankenswerterweise gab Pierre Schuy die Auflösung bekannt: "Gabriels Oboe" von Ennio Morricone aus dem Film "The Mission". Von den Preziosen des reformatorischen Liedguts zu denen der Filmmusik: Auch so kann ein Konzert verlaufen.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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