Musik in der Klosterkirche:Von Vätern und Söhnen

Lesezeit: 2 min

Sopranistin Theresa Nelles in der Klosterkirche Schäftlarn. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Michael Forster leitet bei den Schäftlarner Konzerten Werke von Carl Philipp Emanuel und Johann Sebastian Bach

Von Reinhard Szyszka, Schäftlarn

Er war der Superstar seiner Zeit und ist doch heute fast nur noch als Sohn seines Vaters erinnerlich: Carl Philipp Emanuel Bach. Allzu bizarr, allzu gesucht originell scheint seine Musik. Und doch hat er insbesondere auf Joseph Haydn einen unauslöschlichen Eindruck gemacht. Logisch also, diese beiden Komponisten einander gegenüberzustellen. Und genau das war die Grundidee des Programms des Schäftlarner Konzerts vom Samstag. Die Klosterkirche war gut besucht, aber nicht brechend voll.

Mit warmem Applaus begrüßten die Besucher das Orchester, und mit großer Begeisterung empfingen sie den Dirigenten Michael Forster. Er ist längst mehr als nur der Sohn seines Vaters Benno, des Gründers der Konzertreihe. Michael hat sich als eigenständige Dirigentenpersönlichkeit einen Namen gemacht. Einmal mehr sollte er an diesem Abend sein Können unter Beweis stellen.

Zu Beginn also Carl Philipp Emanuel Bach, und zwar die h-Moll-Sinfonie, ein sehr persönliches Werk. Der ständige Wechsel zwischen Laut und Leise auf engstem Raum - das erklang deutlich, aber nicht oberlehrerhaft-überdeutlich. Forster ließ die hochoriginelle Musik für sich sprechen und vertraute ganz auf die Überraschungen, die in der Partitur selbst angelegt sind: verblüffende Modulationen, nahtlose Satzübergänge und anderes mehr. Der auftrumpfende Schlusssatz endete im Piano, was das Publikum zunächst irritierte; viele erwarteten eine Fortsetzung oder gar einen weiteren Satz. Erst als Forster das Orchester aufstehen ließ, setzte der Beifall ein.

Von Bach Junior zu Bach Senior, also zu Johann Sebastian. Die Kantate "Ich bin vergnügt in meinem Glücke" ist für Solosopran und Solooboe geschrieben. Und genauso interpretierte Forster das Werk. Er behandelte die Sopranistin Theresa Nelles und den Oboisten Ulrich Becker als völlig gleichwertige Solisten, gönnte ihnen gemeinsamen Auftrittsapplaus und ließ sie sich beiderseits des Dirigentenpults aufstellen. Mit schier endlosem Atem gestaltete Becker seine Koloraturen auf der Oboe und brachte die Schönheit von Bachs Musik zum Klingen. Nelles verfügt über eine angenehme, aber eigenwillig geführte und verhältnismäßig kleine Stimme. Klare und deutliche Textdeklamation ist ihre Sache nicht, selbst nicht bei den Rezitativen, wo doch der Sänger zum Prediger wird. Trotz heftigster Mundbewegungen war kaum etwas zu verstehen. Eine eigentümliche Lösung fanden Forster und Nelles für den Schlusssatz der Kantate, einen Choral, der eigentlich einen Chor verlangt. Ein solcher war in Schäftlarn nicht vorhanden; und so verfiel man auf die Idee, die ersten beiden Choralzeilen von der Sängerin a cappella singen zu lassen, bevor das Orchester einsetze und die weiteren Zeilen harmonisch stützte. Was Bach wohl dazu gesagt hätte?

Nach der Pause ging es weiter mit Rezitativ und Arie "Ah questo seno" von Mozart, eine wenig bekannte Einlegearie für eine Oper seines Kollegen Giovanni Paisiello. Diesmal stand Nelles als einzige Solistin neben dem Dirigentenpult, und diese Musik lag ihr. Die Sängerin kam mit der unverhüllten Erotik bei Mozart besser zurecht als mit dem kühlen Kirchenamt Bachs. Den leidenschaftlichen Schluss legte sie überzeugend hin.

Zuletzt Haydn mit der als "Feuersinfonie" bekannten Sinfonie in A-Dur. Und hier zeigte sich die inhärente Logik des Programms. Wer Carl Philipp Emanuel Bach noch im Ohr hatte, hörte es hier bei Haydn deutlich: die gleichen Laut-Leise-Wechsel auf engstem Raum, und eine ebensolche Fülle an Überraschungen. Ja, der jüngere Komponist hat viel vom älteren gelernt, ohne jemals in epigonale Abhängigkeit verfallen zu sein. Forster dirigierte schwungvoll, manchmal geradezu intensiv und energisch, besaß aber andererseits die Klugheit, nicht "überzudirigieren", sondern das Orchester an weniger wichtigen Stellen einfach machen zu lassen. Großer, verdienter Applaus; Dirigent und Orchester ließen sich ein wenig bitten, bedankten sich dann aber mit einer Kurzfassung des letzten Satzes aus der soeben gehörten Haydn-Sinfonie.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: