Krieg in der Ukraine:Eine mobile Klinik für Wischgorod

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Hanns Hey (Mitte) und Jörg Lohse (rechts) haben das Konzept einer mobilen Klinik für die Ukraine entwickelt. Unterstützt werden sie von Landrat Josef Niedermaier (links). (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Bayerische Ostgesellschaft und die Medizinische Nothilfe Oberland wollen Menschen in den zerstörten Gebieten helfen, die ohne medizinische Versorgung sind.

Von Celine Chorus, Münsing

Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gibt es ein neues Hilfsangebot für die Ukraine: Gemeinsam mit der Bayerischen Ostgesellschaft haben der Münsinger Arzt Jörg Lohse und der neu gegründete Verein Medizinische Nothilfe Oberland das Konzept einer mobilen Klinik entwickelt. Damit wollen sie in zerstörten Gebieten helfen, die ohne medizinische Versorgung sind. "Wir sind quasi ein Krankenhaus, das zu den Patienten kommt", erklärten die Organisatoren bei einem Pressegespräch in Holzhausen. Als Einsatzregion wurde das Gebiet zwischen Kiew und Tschernobyl ausgewählt. Dort soll das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) voraussichtlich im Juli in Betrieb gehen.

Unterstützt wird das Projekt vom Sheptytsky-Krankenhaus in Lemberg und seinem Direktor Andriy Lohin. Dieser erklärte in einem Videoanruf die Notwendigkeit eines mobilen MVZ in der Region: "Große Städte wie Kiew sind medizinisch derzeit sehr gut versorgt. Aber je weiter man sich von ihnen entfernt, desto schlimmer wird auch die medizinische Versorgung." Das MVZ werde sich deshalb vor allem auf ältere Menschen und solche, die nicht mobil sind, konzentrieren. Diese Art von Einrichtung habe sich in ähnlicher Weise schon in vielen Krisenregionen bewährt und solle helfen, den zerstörten Landkreis Wischgorod wieder ambulant zu versorgen.

Für das mobile MVZ wird ein Team aus ukrainischen Fachärzten, medizinischem Personal und Fahrern zusammengestellt. Dabei handelt es sich um Menschen aus der betroffenen Region, die durch die Zerstörung der medizinischen Einrichtungen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Ihre Basis wird voraussichtlich in Hostomel am südlichen Rand des Einsatzgebietes liegen. Von dort kann das Team mit seinen Transport- und Ambulanzfahrzeugen in die zerstörten Gebiete fahren. Für die Behandlung der Patienten sollen vorhandene Räume genutzt werden. Besteht diese Möglichkeit nicht, stehen als Alternative große Zelte bereit. Sammeltaxis können eingeschränkte Patienten zum MVZ bringen.

Die Idee für eine mobile Klinik ist Jörg Lohse im November 2022 gekommen. Bei einer gemeinsamen Spendenaktion sei dann der Kontakt zur Bayerischen Ostgesellschaft entstanden. Daraus resultierte ein Austausch am runden Tisch, an dem auch der Katastrophenschutz und das Rote Kreuz beteiligt waren. Bei ihrem Vorhaben werden sie von Landrat Josef Niedermaier (FW) und der ukrainischen Regionalregierung unterstützt: Diese wird einen Plan mit täglich wechselnden Haltestellen aufstellen und dafür sorgen, dass das mobile MVZ in der Bevölkerung bekannt wird. Das Büro des Sheptytsky-Krankenhauses wird die Einsätze auf Basis der täglichen Anmeldungen planen.

Die mobile Klinik soll längerfristig vom ukrainischen Gesundheitssystem übernommen werden

Die Kosten für das mobile MVZ belaufen sich auf etwa 150 000 Euro für ein halbes Jahr. Diese setzen sich zusammen aus den Kosten für die Grundausstattung sowie den laufenden Kosten. "Das ist also eine extrem kostengünstige Version", erklärte Jörg Lohse beim Pressegespräch. Die Fahrzeuge für das mobile MVZ seien bereits vorhanden, die medizinische Ausrüstung werde derzeit zusammengestellt. Zudem seien Kontakte zu einem Pharmavertrieb aufgebaut worden, die eine übergangsweise Medikamentenversorgung sichern. Die Gehälter des medizinischen Personals sollen nun vor allem über Spenden gedeckt werden.

In Zukunft sollen die Kosten für das mobile MVZ aber vom ukrainischen Gesundheitssystem übernommen werden, betonte Lohse. "Dafür müssen wir über einen Zeitraum von sechs Monaten nachweisen, dass wir Patienten behandeln." Betroffene Menschen müssen für die Behandlung zwar nichts zahlen, aber unterschreiben, dass sie in dem mobilen MVZ behandelt wurden. Ende des Jahres soll dann entschieden werden, ob das MVZ ins Gesundheitssystem aufgenommen wird.

Die mobile Klinik sei ein erster Schritt, um die Infrastruktur in der Ukraine wiederzubeleben. Mit ihrem Konzept möchten die Organisatoren aber auch zeigen, dass sich mobile MVZ in anderen Regionen ebenfalls umsetzen lassen. Dass solche Einrichtungen in der Ukraine gebraucht werden, steht für die Organisatoren außer Frage. Wenn es um die Heilung von seelischen Wunden gehe, beginne die Arbeit oftmals erst, wenn der Krieg in einer Region vorbei sei, betonte Andriy Lohin. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns."

Die Bayerische Ostgesellschaft hat ein Spendenkonto eingerichtet: IBAN DE14 7015 0000 0908 2302 20, Stichwort "Medizinische Hilfe Ukraine". Sie verspricht, dass jeder gesammelte Euro ohne Abzug in die mobile Klinik fließe.

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