Miteinander mehr erreichen:Florierende Werkstatt

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Ines Lobenstein, Kenneth Idahosa aus Nigeria und Erwin Braukmann in der Radlwerkstatt in Wolfratshausen. (Foto: Manfred Neubauer)

In Wolfratshausen werden Räder hergerichtet - für Flüchtlinge und Einheimische

Von Melanie Kraus, Wolfratshausen

Reges Treiben herrscht auf dem kleinen Platz der Radlwerkstatt am Loisachbogen. Zwei Männer arbeiten an einem Fahrrad, das mit abmontiertem Vorderrad quer über einem Stuhl liegt. Andere testen die Bremsen von gerade eingetroffenen Exemplaren auf Funktionstüchtigkeit. Bereits reparierte Fahrräder stehen in Doppelreihen vor den Garagen zur Abholung bereit. Ines Lobenstein, die Koordinatorin des Helferkreises, ist mit Erwin Braukmann in ein angeregtes Gespräch vertieft, während um sie herum Kinder miteinander spielen und immer mehr neugierige junge Männer aus der gegenüberliegenden Asylunterkunft herüberkommen.

Braukmann, der auch Mitglied des ortsansässigen Helferkreises ist, betreibt die Werkstatt ehrenamtlich und zieht nach rund einem Jahr Bilanz. Circa 200 Reparaturarbeiten seien bisher erledigt, 150 Räder komplett gerichtet, gecheckt und registriert worden, erklärt der ehemalige Ingenieur. Dass ihm die Routine aus seiner Arbeitszeit bei einem großen deutschen Technologiekonzern auch im Ehrenamt zugutekommt, zeigt der Rentner schmunzelnd an einer langen Excel-Liste: "So haben wir stets die Übersicht über alle Räder, die wir repariert und ausgegeben haben." Die Räder sind teils Spenden von Bürgern im Landkreis, teils sind es Fundräder der Städte, die niemand abholen kam. Wenn die Fahrräder nicht von den Eigentümern zur Werkstatt gebracht werden können, holt sie Braukmann ab.

Ursprünglich war das Projekt für Flüchtlinge und Asylbewerber ins Leben gerufen worden, um ihnen eine Fortbewegungsmöglichkeit zu schaffen. Mittlerweile können sich auch Einheimische mit wenig Geld Räder holen. "Zum einen um die Einseitigkeit aufzuheben und die beiden Gruppen zusammenzuführen", sagt Braukmann, dem besonders das Miteinander am Herzen liegt. Ines Lobenstein ergänzt, dass die Arbeit der Radlwerkstatt "zum anderen auch nicht exklusiv ist oder sein soll. Es geht einfach um Bedürftigkeit."

Die beiden sind sich einig, dass das Projekt besonders im Bereich der Vermittlung zwischen den Kulturen wertvolle Arbeit leiste. Es werde Akzeptanz für die Arbeit der Flüchtlinge geschaffen, ebenso wie eine Art Integration der Menschen mit geringfügigem Einkommen in die Gesellschaft. So kommt es also, dass die Asylbewerber nicht nur an ihren eigenen Fahrrädern schrauben und etwaige Schäden beheben, sondern auch an jenen Rädern, die Sozialhilfeempfänger zur Werkstatt bringen. Je nachdem, wie hochwertig das Fahrrad und der dementsprechende Arbeitsaufwand sind, kostet eine Reparatur zwischen fünf und zehn Euro. Dieser Betrag sei als eine Spende zu verstehen, die man dazu verwende, die Materialkosten zu decken, erklärt Braukmann.

Bei ihrer Arbeit werden die Flüchtlinge von einem vierköpfigen Team um den ehemaligen Ingenieur unterstützt, das "Hilfe zur Selbsthilfe" leistet. Denn "eine Bedienmentalität ist nicht gewollt", sagt der Werkstattbetreiber. Es sei sehr wertvoll, dass die Arbeiten so selbständig liefen. Seine Hoffnung, dass die Asylbewerber die Werkstatt in Eigenregie übernehmen, sieht der Rentner allerdings unerfüllt. "Dafür ist die Fluktuation in der Unterkunft zu hoch, dadurch kann kein festes Team entstehen", sagt er bedauernd.

Die Zusammenarbeit mit der Polizei und der Stadt Wolfratshausen erleben alle Beteiligten als einwandfrei. Zwar wäre für die Wintermonate ein besseres Quartier gefragt gewesen, aber "wenn man sich ehrenamtlich engagiert, möchte man nicht zusätzlich als Bittsteller dastehen", sagt Lobenstein.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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