Mit 93 Jahren:Der Vater des Urmels ist tot

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Der Kinderbuchautor Max Kruse stirbt in Penzberg. Die Trauer in seiner Wahlheimat ist groß - er hat die Stadt "mit großem Wohlwollen" geprägt, erinnert sich die Leiterin des Stadtmuseums, Gisela Geiger

Von Thekla Krausseneck, Penzberg

Noch ein paar gute, möglichst schmerzfreie Jahre und dann ein friedliches Einschlafen: Das hatte sich Max Kruse vor vier Jahren im Gespräch mit der SZ zu seinem 90. Geburtstag gewünscht. Und so war es ihm auch vergönnt. Der Vater des Urmels ist am Freitag im Alter von 93 Jahren in Penzberg gestorben. Der aus Thüringen stammende Schriftsteller lebte zuletzt viele Jahre mit seiner chinesischen Ehefrau Shaofang im Ortsteil Untermaxkron. Auf ihn geht das "Penzberger Urmel" zurück, das die Stadt seit 2005 alle zwei Jahre für besonders wertvolle und schön illustrierte Kinderbücher verleiht. Jetzt ist die Trauer in seiner Wahlheimat groß, sagt der Zweite Bürgermeister Johann Bauer.

Lebendig bleiben die Erinnerungen an einen Menschen, der wie ein "väterlicher Freund" für sie gewesen sei, sagt Gisela Geiger, Leiterin des Stadtmuseums. Immer an kulturellen Themen und einer Zusammenarbeit mit der Stadt interessiert, habe Kruse Penzberg damals das Recht eingeräumt, das Urmel für seinen Preis zu nutzen. Auf diese Weise habe Kruse vielen Kindern den Zugang zur Welt der Bücher eröffnet. Der berühmte Schriftsteller sei für viele eine Identifikationsfigur gewesen, sagt Geiger: Dadurch, dass er auch in Schulen wirkte, habe er eine Menge zur Leseförderung beigetragen. "Mit großem Wohlwollen - eben eine Vaterfigur."

Für Gisela Geiger, die Leiterin des Penzberger Stadtmuseums, war Max Kruse ein väterlicher Freund. Mit 93 Jahren starb der Schöpfer des Urmels. (Foto: Schmitt/dpa)

In dem knappen Jahrhundert, das Kruse lebte, habe er den Wandel der Zeit "bewusst und sehr reflektiert" erfahren. Als Kind roch der Sohn berühmter und künstlerisch begabter Eltern noch den Rauch der Dampflokomotiven und schrieb mit Kreide auf Schiefertafeln; als Erwachsener hörte er die Düsenjets den Himmel kreuzen und verfasste seine jüngsten Bücher auf einem Laptop. Kruse, der als Kind und junger Erwachsener häufig kränkelte, zehrte noch im hohen Alter von seiner schier unerschöpflichen Kreativität: Noch im Jahr seines 90. Geburtstags erschienen drei weitere Bücher, ein Geschichten-Band, das Märchen "Das silberne Einhorn" und die Autobiografie "Im Wandel der Zeit - wie ich wurde, was ich bin". 2013 gab der Thiele-Verlag Kruses Gedicht-Band "Mein Herz beginnt zu schweben" heraus.

"Eine schräge Sache" findet es Geiger, dass Kruse zwar immer ein großer Schriftsteller werden wollte, seine größten Erfolge letztlich aber durch "Gelegenheitsarbeiten und Aufträge seiner Mutter" feierte. Dabei kam anspruchsvolle Literatur heraus, die bis heute ihresgleichen sucht: Urmel etwa werde zwar neuerdings für das jüngere Publikum aufbereitet, sei aber im Grunde eine Geschichte für Kinder ab zehn Jahren. Für kleinere Leser seien all die sprachlichen Feinheiten nämlich kaum zu verstehen - ebenso wenig wie das Abenteuer, das Urmel mit der großen Krabbe in der Vulkanhöhle erlebt. "So was findet man heute auf keiner Buchliste mehr." Besonders hohe Priorität hatte bei Kruse die Sprache. Jedes der Tiere in seiner Nähe hatte einen Sprachfehler - "er hat sich wirklich viele Gedanken darüber gemacht".

Kult: Urmel aus dem Eis. (Foto: dpa)

Ihr Lieblingswerk Kruses sei bis heute "Der Löwe ist los", das erste, das er je geschrieben hatte. Ein Auftrag seiner Mutter, der Puppenmacherin Käthe Kruse, die 1948 ein Theater daraus machte, lange bevor der Löwe gemeinsam mit Max Kruse Berühmtheit erlangte, und viele Jahre bevor das Urmel aus dem Ei schlüpfte.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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