Missbrauch:Wenn Kinder zu Opfern werden

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Katharina Spöttl hilft Missbrauchsopfern. Die Kriminalbeamtin war bei der Tölzer Frauenunion zu Gast. (Foto: Manfred Neubauer)

Kriminalhauptkommissarin Katharina Spöttl erklärt bei der Tölzer Frauenunion, wie man Missbrauch erkennt und was man bei einem Verdacht tun kann

Von Erik Häußler, Bad Tölz

Jedes Kind kann Opfer von Missbrauch werden. Mal ist der Täter der Vater, mal der Onkel, der Sporttrainer oder der Hausmeister. Im vergangenen Jahr wurden 176 Fälle von Kindesmissbrauch im Dienstbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd erfasst. Das sind 27 Fälle mehr als 2013. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen kam es 2014 wie auch im Jahr zuvor zu elf solcher Fälle.

Um darüber aufzuklären hatte die Frauenunion der CSU für Dienstagabend zu einem Vortrag mit der Kriminalhauptkommissarin Katharina Spöttl eingeladen. Das sei ein ernstes, schweres Thema, nichts zur Unterhaltung, sagt Stefanie Rasch von der CSU Bad Tölz eingangs. Mit der Referentin Spöttl, die im Polizeipräsidium für Frauen und Kinder zuständig ist, hatten die CSU-Frauen eine kompetente Beraterin an ihrer Seite. Spöttl leitet ein polizeiliches Beratungsbüro, das sowohl telefonisch als auch vor Ort Opfern von körperlicher und seelischer Gewalt hilft, sie über ihre Rechte aufklärt und auch weiter begleitet. "Es ist wichtig, gut mit den Opfern im Gespräch zu sein und ihnen vor allem zuzuhören", beschreibt sie ihre Tätigkeit.

Spöttl ist keine Rechtsberaterin, auch keine Psychologin. Sie leistet Hilfe aus polizeilicher Sicht. Deshalb ist sie auch verpflichtet, Missbrauch zu melden und anzuzeigen, wenn sie davon erfährt - im Idealfall gemeinsam mit den Opfern.

Sexueller Kindesmissbrauch sei vielschichtig, erklärt Spöttl. Das beginne bei anzüglichen Sprüchen zu Brüsten oder anderen Körperteilen der Kinder, gehe über gemeinsames Duschen nach dem Sportunterricht mit dem glotzenden Lehrer und ende im schlimmsten Ausmaß bei sexuellen Handlungen. Strafbar sind dabei viele Aspekte, von Verletzung der Fürsorgepflicht, über die Misshandlung von Schutzbefohlenen bis hin zur Körperverletzung und sexuellen Nötigung.

Opfer könne jedes Kind werden. Es gebe auch keine Altersgrenze nach unten, berichtet die Hauptkommissarin und berichtet von Fällen bis ins Säuglingsalter. Stärker gefährdet könnten ihrer Ansicht nach schutzlose, bedürftige, allein gelassene oder behinderte Kinder sein, erklärt sie. Auch besonders brave und unsichere Kinder seien gefährdet, gerade, weil sie sich nicht trauten, Nein zu sagen oder sich gar zu wehren. In nur rund einem Viertel der Fälle seien Buben Opfer von sexuellem Missbrauch. Allerdings liege hier die Dunkelziffer enorm hoch, schätzt Spöttl. Zwar sei diese bei Kindesmissbrauch allgemein auf hohem Niveau, aber Jungs täten sich oft doppelt schwer, einen sexuellen Missbrauch aufzudecken. Zu groß sei die Scham, sagt Spöttl.

Die Täter kommen aus jeder Berufs- und Altersgruppe, wie Spöttl erklärte. Allerdings seien es in über 90 Prozent der Fälle Männer, die Kinder missbrauchen. "Das liegt aber auch an der hohen Dunkelziffer bei weiblichen Tätern", erklärt Katharina Spöttl. "Was bei Vätern direkt als Missbrauch erkannt wird, wird bei der Mutter häufig noch relativiert: Sie wäscht ihr Kind eben." In den meisten Fällen komme der Täter aus dem sozialen Umfeld des Kindes. Die meisten Eltern hätten immer Angst vor dem Fremden auf dem Spielplatz, der das Kind abfange und dann missbrauche, das sei aber nur jeder zehnte Fall, sagt Spöttl. Deshalb müsse man gerade im eigenen Umfeld aufmerksam sein.

Missbrauch festzustellen ist nicht einfach. Da sind sich auch die Zuhörer der Frauenunion Bad Tölz in der lebhaften Diskussion einig. "Es ist schwer, so etwas festzustellen und das dann auch zu beweisen", weiß eine Erzieherin in der Runde. Spöttl rät dazu, achtsam zu sein, den Kindern zuzuhören, Veränderungen bei ihnen zu wahrzunehmen und zu hinterfragen und bei einem Verdacht, beispielsweise im Sportverein, mit anderen Kindern und Trainern zu sprechen. Meist sei dann auch denen Verdächtiges aufgefallen.

Wichtig ist, dass es zwar eine Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch gibt, diese aber erst bei Vollendung des 21. Lebensjahres zu laufen beginnt, unabhängig davon, wann die Tat im Kindesalter stattgefunden hatte. Je nach der Schwere des Missbrauches beträgt diese Frist zwischen fünf und 20 Jahren. Im schwersten Falle hätten Opfer folglich Zeit bis zum vierzigsten Lebensjahr, den Missbrauch zur Anzeige zu bringen.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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