Leinwandträume:Neuer Glanz im Lichtspielhaus

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Das Capitol im Kino am Tölzer Amortplatz wird renoviert, soll aber sein 50er-Jahre-Flair behalten. Künftig wird mehr Filmkunst gezeigt.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz

In diesen vier Wänden hat sich Generationen von Tölzern die große weite Welt eröffnet, wurden Träume Wirklichkeit, wurde gelacht und geweint: In denen des Kinos "Capitol-Theater" am Amortplatz. In der Region und in ganz Deutschland gibt es heute kaum noch Gebäude, die ihm in Charakter und Größe ebenbürtig sind: Aus den 1950er Jahren und mit vielen authentischen Stilmerkmalen erhalten, wirkt es wie aus der Zeit gefallen. Allerdings ist das Capitol, der größte der drei Kinosäle in dem denkmalgeschützten Gebäude, ordentlich in die Jahre gekommen: vergilbte Leinwand, zerschlissene Wandbespannung, von der Decke tropfte es. Jetzt wird das Kino für über 100 000 Euro renoviert. Anfang April soll es in neuem Glanz erstrahlen.

Eine Herausforderung, denn das Lichtspielhaus soll seinen einzigartigen Charme und das Flair der 1950er Jahre weiter ausstrahlen. "Ein solch schönes, großes Kino findet man nämlich bis nach München nicht mehr", sagt der Experte Michael Spiegel. Der gebürtige Mannheimer ist Filmtheaterkaufmann, Journalist für Film und Kino und hat bereits seit Jahren Erfahrung in der Entwicklung inhaltlicher kinematografischer Konzepte und Projekte. Heute obliegt dem 49-Jährigen federführend die Renovierung des alten Tölzer Kinos. "So ein Original zu finden, das ist ein echtes Glück, das muss man wertschätzen und unbedingt erhalten", sagt er.

Seit vergangener Woche sind die Renovierungsarbeiten in vollem Gange. Doch Filmfreunde müssen sich nicht in Verzicht üben: die weiteren Säle ("Casino" und "Stub'n") im Gebäude bleiben während der Renovierungsphase geöffnet. "Es wird also zum jetzigen Zeitpunkt keine Generalsanierung in Angriff genommen. Gleichzeitig werden unsere Besucher aber ganz sicher Veränderungen im Haus bemerken", sagt Spiegel.

Im Mittelpunkt der Arbeiten steht die Sanierung der Toiletten und eben des großen Saals ("Capitol") mit seinen 300 Sitzplätzen. Auch das Kinofoyer wird verbessert. Zum Beispiel wird die Kasse mit einer neuen, großen Glasscheibe ausgestattet, so dass Besucher nicht länger nur über die Schalteraussparung mit dem Kassier in Kontakt kommen. "Offener, freundlicher" werde sich der Kassenbereich anfühlen, verspricht Spiegel. Sowohl der typische, gelb-braune Steinboden wie auch die in der Wand eingelassenen Schaukästen bleiben aber. "Das sind typische Elemente der 1950er Jahre, daran rütteln wir nicht", sagt Spiegel. Die große, ursprünglich hölzerne Treppe hinauf ins Capitolkino erhält einen eleganten, dunkelroten Teppich. Die Glasvitrine im Treppenaufgang wird Raum bieten für eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Hauses.

Oben im Capitol ist der Raum komplett eingerüstet. Nur die Sitze und der Teppich werden bleiben, sie sind bis zur Fertigstellung der Arbeiten geschützt verpackt. Der Wasserschaden an der Decke ist behoben, sie wird nun neu gespachtelt und erhält einen anthrazitfarbenen Anstrich, die Wände werden neu mit Stoff bespannt. Eine neue Leinwand wird zeitgemäße Bildqualität bieten. Um den Charakter des Hauses zu unterstreichen, lässt Spiegel zudem neue, aber stilechte Lampen installieren.

Ursprünglich diente das Gebäude einmal der Herstellung von Bier, das "Tölzer Bruckbräu" war dort untergebracht. Anfang der 1950er Jahre wurde ein Saal des ehemaligen Tölzer Bräus in ein Filmtheater umgebaut. Die Bühne sei "groß genug, um gelegentlich auch Gastspiele von Theaterunternehmen und Kammermusikgemeinschaften zu erlauben", schrieb die Zeitschrift "Der neue Film" 1952 über das Tölzer Kino. Und das Magazin lobte dessen Modernität: "Schallschluckplatten an der Rückwand des in warmen Braun- und Beigetönen gehaltenen Zuschauerraumes bewirken einwandfreie akustische Verhältnisse, eine Klimaanlage lässt jede gewünschte Temperatur erzielen." Der Architekt habe die Aufgabe vorbildlich gelöst und außerdem noch, neben dem eigentlichen Kinosaal, für die Erstellung eines geschmackvoll ausgestatteten Kassenvorraums, eines hübschen Aufgangs, neuer Toilettenanlagen und eines absolut feuersicheren Vorführraums gesorgt", begeisterten sich die Autoren.

Heute ist Roland Wolf Betreiber des Kinos und Pächter des Gebäudes. In Bad Tölz unterhält er neben dem Capitol-Theater auch das Isar-Kinocenter, das überwiegend Blockbuster zeigt. Im Vorführraum am Amortplatz sind die 35mm-Filmprojektoren natürlich auch längst modernen Projektoren mit Laptop-Verbindung und Internet-Anschluss gewichen. Doch verloren sind die alten, ratternden Apparate nicht: Ein 35mm-Projektor steht im Vorführraum noch immer einsatzbereit neben den modernen Geräten, hinter ihm im Eck der erste Ernemann-Projektor. "Die Bildqualität, die mit ihnen zu erzielen ist, ist heute noch hervorragend", sagt Spiegel. Auch alte, dazu passende Filmrollen finden sich im Vorführraum, eine Kopie des "Trio Infernale" zum Beispiel, säuberlich aufgerollt und in einer schwarzen Pappkartonage verpackt. Denn bei den Änderungen und Verbesserungen des Saals soll es nicht bleiben. Das Haus soll zukünftig als Programmkino und als Filmkunsthaus geführt werden, das auch ein ausliegendes Monatsprogramm ab Mai dieses Jahres umfassen wird.

Für deutsche Filme und gehobene Unterhaltung solle weiterhin viel Platz sein, sagt Spiegel. Er will das Film- und Begleitprogramm sukzessive in den kommenden Wochen entwickeln. Von Herbst 2017 an sind dann häufiger Originalfassungen und Sonderveranstaltungen geplant. Da wird höchstwahrscheinlich auch wieder ein 35mm-Projektor zum Einsatz kommen.

An welchem Tag im April das Capitol nach der Sanierung seine Pforten das erste Mal öffnet, steht noch nicht fest, wird aber in Kürze von Spiegel festgelegt werden. Zur Premiere des frisch sanierten Lichtspielhauses soll es auf jeden Fall einen besonderen Film geben. Vielleicht sogar mit Lokalbezug? " Tja, was würde sich da anbieten" 'Die schöne Tölzerin' vielleicht?", überlegt der Filmexperte kurz, muss aber dann selbst lachen: "Wenn der Film nur nicht so schrecklich wäre!" Spiegel lässt es also noch offen. Damit bleibt es bei dem bekannten Spruch: "Demnächst mehr in diesem Theater."

Von Juni 2017 an geht eine eigene Webseite für das Tölzer Kino am Amortplatz online, zu finden ist sie unter www.capitol-kino.de

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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