"Late Night" mit großem Andrang:Schwabing in Wolfratshausen

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Kunstmeile Sieben - 2019 in Wolfratshausen: Illumination von Wolfratshauser Schülern unter der Leitung von M. Wirth-Grabow und Lichtdesigner Alfred Fraas. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zum Auftakt der siebten Kunstmeile verwandelt sich die Altstadt an der Loisach zu einer bunten Freiluftgalerie. Hunderte Besucher genießen die Kunstwerke und musikalische Einlagen.

Von Barbara Szymanski, Wolfratshausen

Es ist Kunstmeile und alle gehen hin. Hunderte bleiben am Freitag lange auf mit Kind und Kegel und beteiligen sich am Bild einer kunterbunten aber auch kunstvollen urbanen Szenerie. Diese spielt sich nicht in Schwabing ab, sondern mitten in der um diese Zeit sonst menschenleeren Innenstadt von Wolfratshausen. Rasch noch bei der Schokoladen-Manufaktur die hochgewachsene Klara besuchen, die ihre samtroten High-Heels bewundern und den Dirndlrock fliegen lässt. Eine ältere Frau stutzt: Mann oder Frau? Ach egal. Dann eben auf einem Tischchen König Ludwig II. als Linolschnitt von Sandra Kolondam betrachten.

Wieder draußen, spielt der Geretsrieder Liedermacher Willi Sommerwerk "Irgendwann bleib i dann durt" von STS am Schwankleck. Von ferne ist aber auch cooler Jazz zu hören. Vor der St.-Andreas-Kirche spielt die junge Band Music Made With Love. Lang bleibt man nicht schnippend und wippend stehen, denn einige erzählen, dass da mitten in der Nacht auf dem Sebastianisteg etwas zwitschert. Sie sind in der Tat putzig, die zig bunten Vogelhäuschen, von Schulkindern bemalt, von Alfred Fraas kunstvoll beleuchtet und mit Vogelgesang über Lautsprecher zum Klingen gebracht. Beim Zurückgehen kreuzt Clown Paul Pingu den Weg. Er lässt ein Frettchen geifern - kein echtes, zum Glück. Wo er läuft sind die Bürgersteige schwarz vor Menschen. Nur die vielen Schaufenster leuchten hell. Es wurrlt und summt überall in der Stadt, zwischen Marktstraße, Bahnhofstraße und Sauerlacher Straße.

Der Auftakt der siebten Kunstmeile ist ein ausgesprochen gut besuchtes Ereignis, das bis weit nach 22 Uhr gefeiert wird. Es wird gestaunt, gelacht und geratscht, sich zugeprostet und diskutiert. Zum Beispiel über die Schriftenbilder von Marianne Kästner oder die Porträts in Öl auf Holz von Mimi Lindner; über Skulpturen, Bilder unterschiedlichster Techniken sowie Fotoarbeiten in den Schaufenstern und an den Wänden der Läden. Und es wird auch Kritik laut. Die wie gemalt wirkenden Fotoarbeiten von Richard Philipp aus Icking sind farblich auf die Kleiderpuppen abgestimmt: grünes Motiv zu Trachtenjanker, oranges zu gleichfarbigem Dirndl. Offenbar hat der Dekorateur die Präsentation bestimmt. Der Fotograf zuckt nur die Schultern und zeigt weitere seiner spannenden Arbeiten in einer Mappe.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Sebastianisteg...

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(Foto: Hartmut Pöstges)

...samt Vogelhäuschen ist in leuchtende Farben getaucht.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

In der Loisachhalle singen die Wellküren...

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(Foto: Hartmut Pöstges)

...und Astird Göpfert malt beidhändig Portraits.

Wolfram Weiße, Geretsrieder Maler expressiver und surrealer Bilder, ist jedoch glücklich, wie er sagt. Im einstigen Buchladen Schwankl bespielt er alle Stockwerke, gemeinsam mit Anna Kellner (abstrahierte Stadtansichten), Maria Neumann (fast fotorealistische Porträts und Landschaften), Lorella Selvi-Wendt (runde pastose Bilder in Erdtönen) sowie Jochen Giessler (reduzierte Landschaften in Öl auf Holz) und Ulla Pabst (kunstvoll genähte Quilts). Um die Ecke hat der Holzhauser Lichtkünstler Gregory Prade gut 100 Lampions im japanischen Garten aufgehängt und diesen so auch nachts in einen meditativen Ort verwandelt. Die Illumination soll bis zum 15-jährigen Bestehen des Iruma-Vereins im Oktober hängen bleiben, sagt der Vereinsvorsitzende Ludwig Gollwitzer.

Eine meditative Pause erleben die Kunstmeilen-Bummler auch in der Loisachpassage im ehemaligen Stoffladen. Dort haben die Organisatoren eine stimmige Mischung an Kunstschaffenden zusammengestellt, wie die Besucher feststellen: Reinhild Stötzel zeigt ihre Farbflächenmalerei, Petra Vogel ihre ruhigen zurückgenommenen Bilder zu den Themen Berge und Wasser. Den Raum bespielt auch Ariane Vollmar aus Beuerberg mit ihren beleuchteten und transparenten Kugeln aus Aluminiumdraht. Evelyn Heinsdorf aus Pullach zeigt daneben Skulpturen, deren Materialien Rätsel aufgeben. Gerne gibt sie Auskunft: Keramik mit Beimischungen oder Nähgarn, die Muschel ist aus Pappmaché, das Wespennest aus Butterbrotpapier. Dann spielt Petra Vogel einige Stücke auf dem Cello. Wenn man nur mehr Zeit hätte. Gerade ein Bruchteil dieser Open-Air-Galerie in 85 Geschäften und Stationen ist geschafft. Keine Hektik, sie ist noch bis Sonntag, 6. Oktober geöffnet.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Vor ihren Werken spielt die Malerin Petra Vogel Cello.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der japanische Garten wird mit Lampions erleutet.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Wolfram Weiße zeigt seine Bilder.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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