Ein Projekt der Land Art:Im Meer der Kunst

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Hannsjörg Voths "Boot aus Stein" bestand aus einer Pyramide, die im Ijsselmeer vor der holländischen Küste errichtet wurde. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Franz-Marc-Museum dokumentiert die Aktion "Boot aus Stein" von Hannsjörg Voth und Ingrid Amslinger

Von Anja Brandstäter, Kochel am See

Ein Kran hebt eine Pyramide auf eine 14 mal 14 Meter große Plattform. Diese befindet sich mitten im Ijsselmeer vor der holländischen Küste und steht auf neun Baumstämmen, die in den Meeresgrund gerammt sind und dreieinhalb Meter über den Wasserspiegel emporragen. Diese Szene ist auf einem der Schwarz-Weiß-Fotos zu sehen, welche die Fotografin Ingrid Amslinger 1981 aufgenommen hat. Mit ihren Fotos dokumentierte die Frau von Hannsjörg Voth dessen Projekt "Boot aus Stein". Das Franz-Marc-Museum in Kochel am See präsentiert die Dokumentation dieser Kunstaktion.

Auf einem Foto ist der Innenraum der mehr als zwölf Meter hohen Pyramide in Holzbauweise zu sehen. Er umfasst einen groben Steinblock, der 70 mal 100 Zentimeter misst. Links und rechts davon sieht der Betrachter fein säuberlich nebeneinander liegendes Werkzeug. Damit hat Hannsjörg Voth ein Jahr lang aus dem rohen Steinbrocken ein Boot gemeißelt. Eine andere Aufnahme zeigt den Künstler bei der Arbeit. Er hat sich ein Tuch um den Kopf gebunden, trägt eine Schutzbrille, stützt sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den bereits in Form gebrachten Stein und bearbeitet ihn mit Hammer und Meißel.

Voth hatte sein Projekt "Boot aus Stein" gründlich geplant. Konstruktions- und Planzeichnungen sowie ein Modell der Pyramide sind, neben Fotos seiner Frau, im Franz-Marc-Museum zu sehen. Im Inneren der Pyramide gab es einen zentralen Raum zur Bearbeitung des Steinblocks und einen u-förmigen Tisch für zehn Gäste. Dieser Raum wurde von einem Wohnbereich umschlossen. Erreichbar war die Pyramidenkonstruktion aus Holz und Glas nur per Boot. Einmal im Monat lud der Künstler zu einem Mahl ein, das er zusammen mit den Gästen zubereitete. Auf einem Foto sieht man die gedeckte Tafel, umgeben von einer doppelten Reihe brennender weißer Kerzen.

Was passiert mit einem Menschen, wenn er sich der Natur für lange Zeit völlig aussetzt? Tagebuchartig hat Voth während seines wochenlangen Aufenthalts in der Pyramide neben der Arbeit am steinernen Boot kleine Zeichnungen angefertigt. Auch diese sind in der Ausstellung zu sehen.

Am 12. Mai 1981 notierte der Künstler in sein Tagebuch: "Seit einer Stunde nährt sich ein Gewitter. Blitzschlag auf Blitzschlag, der Donner folgt unmittelbar. Ich höre auf zu zählen, als das Unwetter über der Pyramide steht. Es wird mir so unheimlich, dass ich wieder aus dem Bett steige, mit einer Petroleumlampe umherwandere und mich dabei vergewissere, dass keine Gegenstände auf den Blitzableiterdrähten liegen, die innen an den Rundbalken montiert sind." An anderer Stelle berichtet er von der großen Hitze über 40 Grad, die sich tagelang in der Pyramiden staute. Auch mit Insektenschwärmen hatte er zu kämpfen.

Voths Zeichnungen und die Amslingers Fotografien dokumentieren die Entstehung und das Lebensgefühl dieses abgeschiedenen Raums, der später von Sturm und Wasser zerstört wurde. Das Kunstwerk ist in seinem Konzept mit der Land Art verbunden, die sich der ökonomischen Verwertung von Kunst widersetzt. Weiterhin steht es in Zusammenhang mit den ökologischen Bewegungen, die bereits in den Sechzigerjahren ihren Anfang nahmen.

Die Ausstellung "Boot aus Stein" des Münchner Künstlerpaars Hansjörg Voth und Ingrid Amslinger ist eingebettet in die umfassende Ausstellung "Der Rhythmus der Natur". In einer spannenden Zusammenstellung unter dem Aspekt "Kunst und Natur - Natur und Kunst" sind derzeit Werke von Adolf Erbslöh, Lionel Feininger, Erich Heckel, Wassily Kandinsky, Anselm Kiefer, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, August Macke, Franz Marc, Otto Müller, Gabriele Münter, Emil Nolde und Pierre Soulages zu sehen.

Die Ausstellung im Franz Marc Museum in Kochel läuft bis 12. März 2023. www. franz-marc-museum.de

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