Kurzkritik:Höchstleistung unter dem Kreuz

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Salzburger Passionssingen wird zum eindrucksvollen Ereignis

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Diese Stille am Ende! Josef Radauer, der Leiter des Salzburger Passionssingens, hatte zuvor darum gebeten, auf Applaus zu verzichten. Und so saßen die Zuhörer, als der letzte Akkord verklungen war, mehrere Minuten lang andächtig in der halbdunklen Kirche, bevor sich die ersten erhoben und auf den Weg nach draußen machten. Ein würdiger Ausklang eines eindrucksvollen Abends.

Das Salzburger Passionssingen tourt in den Wochen vor dem Karfreitag durch die Lande und konzertiert mit lokalen Chören. Am Samstag traten die Künstler in der Mühlfeldkirche auf. Unter dem Motto "Stabat Mater" konzentrierte sich die Handlung auf die Frauen unter dem Kreuz, allen voran Maria (Susanna Szameit) im klassischen Madonnengewand. Auch Veronika (Andrea Resch) und Maria Magdalena (Maria Brunauer) spielten tragende Rollen; Brunauer brachte zudem ihre hervorragend geschulte Altstimme in mehreren Sätzen des Stabat Mater von Vivaldi zum Klingen. Neben so viel geballter Weiblichkeit mussten sich Johannes (Benedikt Helminger), Kaiphas (Alfred Kröll) und Philippus (Willi Pilz) mit Nebenrollen bescheiden. Jesus kam nur in der dritten Person vor.

Sprechszenen und Musik wechselten ab, gingen auch zum Teil ineinander über. Die Handlung begann mit einem Traum der Maria und führte über die Kreuzigung hinaus bis zur Auferstehung. Geschickt war der Beginn auf 19 Uhr gelegt worden, so dass die allmählich hereinbrechende Dunkelheit geradezu symbolische Bedeutung bekam. Bei der Kreuzigungsszene wurde ein riesiges Lichtkreuz auf den verhüllten Hochaltar projiziert.

Die Musikauswahl von Radauer kombinierte geschickt Klassik mit Volksweisen. Die bekannte Sarabande von Händel war rondoartig mit mehreren volkstümlichen Sätzen verbunden, ohne dass sich ein Stilbruch ergeben hätte. Der Erntedank-Landler stand neben einem frühen Andante von Mozart, vom Radauer-Ensemble mit Hackbrett und Zither gespielt. Mozart hätte bestimmt nichts dagegen gehabt.

Nobel bliesen die Pongauer Bläser von der Empore, glockenrein sang der Salzburger Dreigesang am linken Seitenaltar. Doch die Krone gebührt dem Mühlfeldchor. Die Sängerinnen und Sänger bewältigten nicht nur ihren umfangreichen und keineswegs einfachen Gesangspart komplett auswendig, sondern hatten sich auch mit mehreren Umgruppierungen schauspielerisch zu betätigen. Einer solchen Leistung eines Laienchors kann man nur den höchsten Respekt zollen.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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