Kurzkritik:Es war einmal in Irland

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Der pensionierte Lehrer Klaus Bendel ist ein geübter Geschichtenerzähler - und -darsteller. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Storyteller Bendel und Thumm beeindrucken die Wolfratshauser

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Storyteller haben auf der grünen Insel Irland eine lange Tradition: Wenn es draußen mal wieder regnete und stürmte, versammelten sich die Bewohner eines Orts im Pub, um dort im Trockenen ihr Bier zu trinken und sich unterhalten zu lassen. Die Geschichtenerzähler lasen nicht etwa vor, sondern überlieferten ihre Märchen und Sagen mündlich, sammelten sie auf ihren Reisen ein, nahmen sie mit in den nächsten Ort - und entwickelten so aus ihren lebendigen Vorträgen eine eigenständige Kunstform. Wie diese Kunst auf einer Bühne aussehen kann, haben am Sonntagabend die deutschen Storyteller Klaus Bendel und Marlisa Thumm in Wolfratshausen gezeigt.

Eine Bühne hatten die rund 30 Besucher des Pfarrheims Sankt Andreas die meiste Zeit allerdings nicht vor Augen. Dafür waren sie einfach zu weit weg - an den westirischen Küsten Donegals oder auf den Aran Islands, in den zauberhaft-gruseligen Gefilden der Elfen oder im Stall eines gewitzten Bauern, der sich gegen zwei gierige Nachbarn zur Wehr setzen musste.

Der pensionierte Lehrer und ehemalige Schulleiter Klaus Bendel hat Übung: Jahrelang hat er seinen Schülern Märchen und Geschichten erzählt und sie zum Mitmachen und Weiterspinnen animiert. Mit ausladenden Gesten lässt er Landschaften entstehen, als hätte er sie persönlich gesehen, seine Stimme bringt Märchenfiguren zum Atmen, Winde zum Heulen und Häuser zum Knarren. Als Bendel von dem Fischer erzählt, der seine Schuhe gegen die haushohen Meereswellen warf, um das Schiff und die Besatzung vor dem Ertrinken zu retten, sind diese Schuhe deutlich zu sehen: Sie fliegen einmal quer über die Köpfe der Zuhörer in Sankt Andreas hinweg gegen die Wasserwand, und jeder im Saal erlebt erleichtert mit, wie die Wellen abflachen und sich der Sturm legt.

So entführen die beiden brillanten Hobby-Storyteller Bendel und Thumm ihre Zuhörer abwechselnd in eine fremde, magische, nicht immer ungefährliche Welt, in der eine Königstochter einen Ritter ins Land der ewigen Jugend mitnimmt, um so lange glücklich mit ihm zusammenzuleben, bis er seine Heimat bei der Rückkehr nicht mehr wiedererkennt, und in der sich an Samhain - dem irischen Fest in der Nacht vor dem 1. November und an dessen Tag - die Pforten zur Anderswelt öffnen, wo ein zauberhafter Feenprinz ein wunderschönes Mädchen zum Tanz auffordert und beinahe ins Verderben reißt.

Zwischen den Geschichten spielte der Wolfratshauser Musikschulleiter Manfred Heller auf der Gitarre. Und ganz wie in einem Irish Pub gab es dazu neben Limonade auch etliche Flaschen Guinness zu trinken.

Bendel und Thumm gehören zu einem sechsköpfigen Ensemble von Geschichtenerzählern, die zweimal jährlich im Münchner Werkhaus auftreten. Darüber hinaus ist Bendel jeden zweiten Mittwoch im Monat im Seniorenpark Wolfratshausen. Der Märchenabend im Wolfratshauser Pfarrheim war der vierte in Folge.

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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