Konzertkritik:Perfektion des Zusammenspiels

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"Ensemble Clarezza" begeistert mit Klarinettenklängen

Von Reinhard Szyszka, Wolfratshausen

Die kleine Kirche platzte aus allen Nähten, und Pfarrer Florian Gruber schleppte Klappstühle heran und stellte noch eine Bank vor dem Taufstein auf, damit alle Konzertbesucher einen Sitzplatz fanden. Das "Ensemble Clarezza" aus Bamberg, das die ungewöhnliche Musikgattung des Klarinettenquartetts pflegt, hat sich in Wolfratshausen einen hervorragenden Ruf erspielt, und das Bedürfnis nach guter Musik jenseits der Weihnachtslieder tat ein Übriges, die Hörer in Scharen anzulocken. "Nächstes Jahr müssen wir in einen größeren Raum umziehen," sagte Gruber. Nun, die Loisachhalle liegt ja gleich hinter der Kirche.

Wie im Vorjahr hatten die "Clarezzaner" eine Mozart-Ouvertüre im Gepäck - damals die "Zauberflöte", diesmal "Don Giovanni". Und schon bei den ersten Tönen merkte man, dass sich die Musiker in diesem Jahr enorm gesteigert haben. Meister ihrer Instrumente sind sie sowieso; neu hinzugekommen ist die Selbstverständlichkeit des Zusammenspiels, das blinde Sich-Verstehen, die selbstverständliche Synchronität in Phrasierung und Dynamik. Geisterhaft fahl klang der erste Teil der Ouvertüre, brillant virtuos der schnelle Abschnitt. Mozart, der die Klarinette liebte, wäre sicher begeistert gewesen, ebenso wie von der "Salzburger Sinfonie", die ohnehin an der Schwelle zwischen Orchester- und Kammermusik steht und daher eine Quartettfassung gut verträgt. Zwischen die beiden Mozart-Werke schoben die Musiker den größtmöglichen Kontrast ein: Das konzertante Quartett des Hindemith-Schülers Arnold Cooke, original für vier Klarinetten geschrieben. Mit Präzision und facettenreichem Spiel meisterte "Ensemble Clarezza" die herben Klänge.

Doch der eigentliche Höhepunkt des Konzerts folgte nach der Pause: vier Contrapuncti aus Bachs "Kunst der Fuge". Zu diesem Werk hat Bach keine Besetzung angegeben; vier Klarinetten sind daher ebenso authentisch und legitim wie andere Instrumentationen auch, selbst wenn Bach die Klarinette noch nicht kannte. Klar und durchhörbar erklangen die Fugen, und die Stimmen setzten sich deutlich voneinander ab. Mit atemloser Spannung folgten die Zuhörer der komplexen Musik. Dann gab es erneut den maximalen Gegensatz zu hören: ein Quartett des französischen Komponisten Jean Françaix, übermütig hüpfend in den schnellen Sätzen, ruhig ausschwingend im Mittelsatz.

Den Abschluss bildeten fünf "Czernowitzer Skizzen" des zeitgenössischen Komponisten Alexander Kubelka. Christoph Müller, einer der vier Musiker, erläuterte, dass die Stadt Czernowitz - heute in der Ukraine - vor dem Ersten Weltkrieg ein Schmelztiegel der verschiedensten Völker und Kulturen gewesen war. Die Musik von Kubelka enthielt dementsprechend Klezmer-Anklänge ebenso wie Csárdás-Rhythmen, und heitere Tänze standen neben tieftraurigen Klagegesängen.

Die Musiker konnten es sich leisten, ihr Programm nicht mit einem Beifall heischenden Paradestück zu beenden, sondern es ruhig und verhalten ausklingen zu lassen. Großer Applaus. Das "Ensemble Clarezza" bedankte sich mit dem Walzer aus Schostakowitschs Suite für Varieté-Orchester, der auch als Filmmusik ("Eyes Wide Shut") bekannt geworden ist.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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