Konzert in Penzberg:Auf dem Weg zur Meisterschaft

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Lässig in der Beuge des Flügels: Nikolaus Pfannkuch beim Liederabend in der Penzberger Grundschulaula. Am Klavier: Pauliina Tukiainen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Nikolaus Pfannkuch und Pauliina Tukiainen ziehen das Publikum in ihren Bann

Von Reinhard Szyszka, Penzberg

Natürlich war es ein Heimspiel. Der Tenor Nikolaus Pfannkuch ist in Penzberg aufgewachsen, sein Vater leitet dort seit Jahrzehnten das Sinfonieorchester im Pfaffenwinkel und das Vokalensemble. Kein Wunder, dass sich die kleine Aula in der Penzberger Grundschule schnell füllte, als der junge Sänger am Donnerstag dort einen Liederabend gab. Es mussten sogar einige Stühle hinzugestellt werden, damit wirklich jeder einen Sitzplatz fand. Viele der Anwesenden kannten Pfannkuch von klein auf, hatten sein musikalisches und persönliches Werden und Wachsen mitverfolgt und warteten nun gespannt darauf, wie sich der Musiker bei Liedern von Schubert, Wolf und Schumann bewähren würde.

Nikolaus Pfannkuch und seine Klavierpartnerin, die finnische Pianistin Pauliina Tukiainen, eröffneten ihr Programm passend zur Jahreszeit mit Franz Schuberts "Im Frühling" - eines der schönsten Schubertlieder, mit einem äußerst unangenehmen und haarigen Klavierpart. Doch wenn man hörte, mit welch souveräner Meisterschaft Tukiainen die Schwierigkeiten bewältigte und dabei noch Raum für Gestaltung fand, dann wusste man, dass sich der Sänger auf diese Klavierspielerin absolut verlassen konnte. Die virtuosen Oktavpassagen bei Wolfs "Auf einer Wanderung", die rhythmischen Vertracktheiten bei Schumanns "Schöne Wiege meiner Leiden" - Tukiainen meisterte alle Tücken, ohne jemals hörbar zu kämpfen oder den Sänger zuzudecken. Bei einer solchen Meisterschaft verbietet sich das Wort "Begleiterin" - die Pianistin war eine gleichwertige Partnerin und Mitgestalterin.

Der junge Sänger stand lässig in der Flügelbeuge, ließ die Arme herunterhängen und verzichtete beim Singen auf jegliche Gestik, auf fast jegliche Mimik und auch auf übertriebene Textdeklamation und Konsonanten-Spucken. Wer so singt - und Kunstlieder sollen so gesungen werden -, der muss alles in der Stimme haben, alle Klangfarben, alle Gestaltungsnuancen. Hat Nikolaus Pfannkuch das? Nun, er ist auf dem besten Wege dorthin.

Der Tenor sang mit angenehmer, in allen Lagen ausgeglichener Stimme, tadellos intoniert und mit sicherer Beherrschung des musikalischen Materials. Bei der einleitenden Schubert-Gruppe überzeugten die freundlichen, optimistischen Lieder mehr als die tragischen. Aus den Dialogen im Lied "Alinde" hätte man mehr machen können. Wunderbar gelang gleich darauf die bekannte "Taubenpost" aus dem "Schwanengesang". Die Einsamkeit und Verzweiflung von Goethes Harfner lagen dem Sänger weniger, und auch der Alte, der im "Nachtstück" seine Harfe nimmt, kam zu harmlos daher. Immerhin singt der Mann kein nettes Abendlied, sondern bittet um seinen Tod, der ihm zuletzt auch gewährt wird. Die Liedgruppe schloss mit "An den Mond" nach einem Goethe-Text, leider in der schlichten strophischen Frühfassung, nicht in der durchkomponierten, musikalisch ausgereiften späteren Version.

Nach der Pause folgten drei Lieder von Hugo Wolf auf Mörike-Texte. Fröhliche, lebensbejahende Stücke, was dem Sänger natürlich entgegenkam. Pfannkuch glänzte bei den Wanderliedern ebenso wie in der Rolle des verliebten Gärtners. Gerade das anspruchsvollste, komplexeste Lied der Gruppe "Auf einer Wanderung" gelang besonders überzeugend. Bei Wolf zeigte Pfannkuch auch erstmals, über welche stimmlichen Reserven er verfügt, und wie organisch, bruchlos er seine Stimme ins Piano zurückführen kann.

Doch das Beste hatten sich Pfannkuch und Tukiainen für den Schluss aufgespart: Robert Schumanns Liederkreis auf Worte von Heinrich Heine. Der Zyklus ist längst nicht so populär und abgegriffen wie die "Dichterliebe", hat aber seinen eigenen Reiz. Und hier gestalteten die Musiker einen Spannungsbogen, der das Publikum unmittelbar in seinen Bann schlug. Der Sänger entlockte seiner Stimme Töne, wie man sie an diesem Abend noch nicht erlebt hatte: dramatisch bewegt bei "Es treibt mich hin, es treibt mich her", schneidend scharf bei "Warte, warte, wilder Schiffmann".

Eine fantasievolle, hochdifferenzierte Gestaltung des anspruchsvollen Liederkreises war es, was der Sänger und die Pianistin da präsentierten. Mit Recht wurden beide nach dieser Leistung vom Publikum bejubelt, und sie bedankten sich mit einem weiteren Hugo-Wolf-Lied, "Nimmersatte Liebe".

Eigentlich wollten es die Musiker mit dieser einen Zugabe bewenden lassen, aber das Publikum klatschte hartnäckig weiter, so dass sich die Künstler schließlich erweichen ließen und "Wanderers Nachtlied" aus dem ersten Teil des Abends wiederholten. Jetzt, wo alle Unruhe und Nervosität von dem Sänger abgefallen war, gelang die atemtechnische Gestaltung des Lieds noch souveräner als beim ersten Mal.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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