Konzert in Iffeldorf:Jauchzet, frohlocket!

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Für das Weihnachtsoratorium in Jazz gibt es stehende Ovationen

Von Arnold Zimprich, Iffeldorf

Ein glasklarer Sternenhimmel wölbt sich über dem abendlichen Iffeldorf, die Temperatur sinkt auf den Gefrierpunkt. Unten, vor dem Gemeindezentrum, herrscht emsiges Treiben. Das Weihnachtsoratorium in Jazz hat magische Anziehungskraft, das Konzert ist bis auf den letzten Platz ausverkauft.

Es betritt der Klangkunst-Chor die unter Zuhilfenahme von Bierkästen konstruierte Bühne - rund 75 Männer ganz in schwarz und in Rottöne gekleidete Frauen sind es, die Bachs Weihnachtsoratorium kraftvoll in Szene setzen werden. Zusammen mit dem rund zwanzigköpfigen Orchester, vier Solisten und dem Jazz-Quartett von Stephan König verwandeln rund 100 Musiker die Turnhalle im Gemeindezentrum Iffeldorf in einen Konzertsaal.

Stephan König hat dem bekannten Bach-Stoff neuen Schwung verliehen. Ja mehr als das: Er hat es verjazzt. Trotzdem bleibt dem Stück seine Anmut, seine Erhabenheit. "Jauchzet, frohlocket, auf, preist die Tage!", setzt der Chor an, voller Harmonie, aber auch stimmgewaltig. Die Akustik in der Mehrzweckhalle ist speziell - die Musik umfängt den Zuhörer derart, dass man sich fast so fühlt, als würde man mitten im Orchester sitzen.

Die vier Solisten Katja Stuber (Sopran), Anna Holzhauser (Alt), Martin Petzold (Tenor) und Maximilian Höcherl (Bass) verleihen Stephan Königs Arrangement eine besondere Eleganz. Petzold, dessen Karriere beim Leipziger Thomanerchor begann, sticht mit seinem klaren Tenor heraus - doch auch Höcherls Stimme ist voller Anmut, warm, tröstend - von den beiden Solistinnen ganz zu schweigen. Bis zu den Engeln ist es heute nicht weit. Und dann wieder der Chor - "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen", schallt es stark rhythmisiert durch den Saal.

Es ist ein Zusammentreffen mehrerer Urkräfte, die hier wirken. Dirigentin Andrea Fessmann führt Musiker und Publikum liebevoll durch die zwei Stunden, herzlich, aber doch voller Verve. Sie lebt die Musik mit jeder Faser ihres Körpers - im Chor nur strahlende Gesichter. Diese viel zitierte Chemie, sie stimmt hier in Iffeldorf. Saxofonist Reiko Brockelt und Bassist Thomas Stahr lassen sich zwischendurch zu beeindruckenden Soli hinreißen. Arrangeur Stephan König wechselt gekonnt von Cembalo an den Flügel. "Lasset uns gehen gen Betlehem", verkündet der Chor, als es in die Pause geht.

Wer behauptet, Barockmusik und Jazz würden nicht zueinanderpassen, wird an diesem Abend Lügen gestraft. Zwar wirkt die ein- oder andere Abfolge etwas schroff - doch das ist genau der Clou. Bach wird mitnichten entwürdigt, vielmehr das "Jauchzen" und "Frohlocken" durch die schwungvollen Jazz-Elemente noch gesteigert. Zwischendrin gibt es kurze Jams, es wird gegrooved. Anna Holzhauser verfällt sogar kurz in den Scat, diesen Jazz-typischen Gesangsstil. Manch einer würde sich eine Tanzfläche wünschen, doch dafür ist leider kein Platz - und die Musik dann doch wieder zu feierlich.

Der Klangteppich, den die Musiker weben - er ist ohne Frage von feinster Qualität. Beim Choral Nr. 29 wird das Publikum schließlich zum Mitsingen aufgefordert. Andrea Fessmann dreht sich um, dirigiert in die Menge. Schließlich wird auch zu ungewöhnlichen Instrumenten gegriffen - der Chor streicht sich über die Hände, klopft sich auf die Brust, stampft auf den Boden. "Du, Jesu, bist und bleibst mein Freund", singt Petzold, "und werde ich ängstlich zu Dir flehn: Herr, hilf!, so lass mich Hilfe sehn!" Dieser fabelhafte Abend dürfte so manchem im Publikum geholfen haben - im Vorweihnachtstrubel, in dieser Zeit, in der sich alles verdichtet, in der manches auch zu viel wird. So viel Wärme, so viel Rhythmus - man hat auch nach zwei Stunden noch nicht genug.

Die Musiker, die stehende Ovationen bekommen, müssen mehrmals vor das Publikum treten, ehe sie entlassen werden. "Die treten auch noch im Herkulessaal in München auf", sagt eine begeisterte Dame am Ende. Und es klingt wie eine Verheißung: "Angeblich ist das Konzert noch nicht ausverkauft."

© SZ vom 23.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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