Kommentar:Stadtpolitik braucht Wettbewerb

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Wähler können sich nur wünschen, dass noch ein Herausforderer gegen Michael Müller antritt

Von Felicitas Amler

Ja, die tun sich leicht: Dieser Stoßseufzer ist einem Geretsrieder Lokalpolitiker entfleucht, als die CSU ihren Bürgermeisterkandidaten aufgestellt hat. In der Tat ist die CSU in einer komfortablen Lage. Sie hat nicht einfach einen Amtsinhaber - was meist an sich schon eine Erfolgsgarantie ist. Michael Müller ist ein Bürgermeister, der allenthalben etwas angepackt, angeregt, angestoßen hat. Allein seine Initiative, mit einem neuen Stadtzentrum nicht zu warten, bis irgendwann die S-Bahn nach Geretsried kommt, hat zu eindrucksvollen Neuorientierungen geführt. Im Herbst wird sich zeigen, ob der modern gestaltete Karl-Lederer-Platz die Attraktivität ausstrahlt, die er auf dem Papier hat. Sollte das Stadtzentrum wirklich urbanes Flair nach Geretsried bringen, wird mancher im kommenden Frühling sein Kreuz umso sicherer bei Müller machen.

Und das werden keineswegs nur treue CSU-Anhänger sein. Denn Müller seinerseits ist kein treuer CSU-Mann. In der Flüchtlingspolitik hat er das deutlich gezeigt. Er hat nicht nur pragmatisch dazu beigetragen, Unterbringung und Betreuung Asylsuchender zu regeln. Während an der Spitze seiner Partei eine inhumane Klare-Kante-Politik vertreten wurde, hat er keine Gelegenheit ausgelassen, sich zu einer dezidiert menschenfreundlichen Haltung zu bekennen.

Die haben's leicht? Ja, Freie Wähler, SPD und Grüne haben es erheblich schwerer, einen Kandidaten mit Erfolgsaussicht aufzustellen. Der oder die würde einen Opfergang gehen. Geretsrieder Wähler aber können sich nur wünschen, dass dies geschieht. Denn nichts ist lähmender für die Politik als ein über lange Zeit unangefochten erfolgsgewisser Amtsinhaber. Da werden aus den stärksten Demokraten gern mal kleine Sonnenkönige. Die Gefahr ist in Geretsried latent. Denn im Stadtrat gibt es wenig echte Herausforderungen für Müller. Selten taucht eine eigenständige Initiative, gar ein präzise konzipierter Antrag auf. Es gibt kaum Auseinandersetzung, fast keine Konfrontation. Lokalpolitiker bezeichnen dies gern als erstrebenswert und sind stolz auf einstimmige Beschlüsse. Als sei ein Stadtrat nicht der Spiegel einer Gesellschaft, in der es verschiedene Interessen gibt - und zu vertreten gilt.

Geretsried leistet zum Beispiel gerade viel für Sport und Freizeit. Ein interkommunales Hallenbad, ein Eisstadion sind ja auch tolle Projekte. An Infrastruktur für Kultur aber ist aktuell nicht zu denken. Müller hat das Thema zwar besetzt und schöne Ideen für Kultur im Zentrum skizziert. Allerdings verbunden mit der B 11-Verlegung. Und bis dahin kann noch eine ganze Amtszeit vergehen. Mit Räumen für Kultur müsste man es etwas eiliger haben. Es wäre gut, wenn da eine oder einer ein wenig anschieben würde.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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