Kommentar:Schädlicher Wankelmut

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Das Hin und Her im Penzberger Stadtrat ist keine Werbung für eine verlässliche Lokalpolitik

Von Alexandra Vecchiato

Da hat sich der Penzberger Stadtrat die richtige Sitzung ausgesucht, um erstmals einen Livestream auszuprobieren. Denn die Zusammenkunft am Dienstag hat das Zeug, in die Annalen einzugehen. Aber nicht als Vorbild kommunalpolitischen Wirkens. Nein, das Treiben erinnerte eher an eine Faschingssitzung unter dem Motto "Willkommen in Absurdistan"!

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Es gibt den Punkt "Grundsatzentscheidung Industriefläche oberhalb des Druckzentrums" auf der nicht öffentlichen Tagesordnung des Stadtrats. Aber weil es eben keinen Grund gibt, eine solche Entscheidung geheim zu treffen, stellen zwei Fraktionen den Antrag, den Tagesordnungspunkt öffentlich zu diskutieren. Dieser Vorschlag auf Öffentlichkeit wird nicht öffentlich einstimmig beschlossen. Kaum kommt das Thema dann öffentlich dran, regt sich Unbehagen im Ratsgremium, weil man halt nicht Tacheles reden könne, so mit Zuhörern und der Presse. Also alles wieder anders, und schwups gibt es eine Mehrheit für die nicht öffentliche Behandlung. Ja, wo gibt's denn so etwas?

Wie es aussieht, hat ein Großteil der Penzberger Stadträte nicht verstanden, was die Verwaltung wollte. Erstens: Dem Energie-Start-up Marvel Fusion eine klare Aussage abringen, ob es die Industriefläche im Nonnenwald zeitnah kaufen wird. Und zweitens: Wenn Marvel Fusion eine Antwort schuldig bleibt, dann zu entscheiden, wie die Stadt die beiden Grundstücke verwerten möchte - ob weiterhin als Industriefläche oder aufgeteilt in kleinteiligere Flächen, auf denen sich Gewerbebetriebe ansiedeln können.

Welche Interessenten an den Flächen bereits im Rathaus vorgesprochen haben, wäre für diese Grundsatzentscheidung nachrangig gewesen. Denn ein Grundstücksverkauf kann nicht ohne die Zustimmung des Stadtrats erfolgen. Er hat immer die Hand drauf. Wenn die Verwaltung sagt, sie stellt eine Liste der Bewerber zusammen und legt diese dem Gremium in einer nicht öffentlichen Sitzung vor, weil es um Namen geht, dann ist allen Belangen genüge getan. Stattdessen konterkariert der Stadtrat einen einstimmig gefassten Beschluss, in dem er diesen durch einen nicht mehr einstimmigen Beschluss ersetzt. Ganz nach dem Motto: "Was juckt mich mein Geschwätz vor ein paar Stunden." Ebenfalls ein schönes Faschingsmotto, wäre das närrische Treiben nicht längst vorbei.

Dieses Mal war die Livestream-Aufzeichnung nur ein Probebetrieb. Stadträte und Verwaltung kriegen als einzige das Filmchen zu sehen. Vielleicht besser so! Oder was sollen Wähler von solchen Kapriolen halten?

© SZ vom 25.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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