Kochel:Gestörter Umgang mit der Geschichte

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Der Feuerwerker schämt sich nicht wegen der als Silvester-Knaller eingespielten Hitler-Aufnahme, sondern hält vielmehr die Kritik daran für falsch.

Von Ingrid Hügenell

Ganz entschieden wendet sich Bürgermeister Thomas Holz (CSU) gegen die Verwendung des Hitler-Originaltons "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen" beim Silvesterfeuerwerk des Sportvereins. Mit diesen Worten verkündete Adolf Hitler am 1. September 1939 den Angriff auf Polen. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen. Holz sagte am Freitag, er sei sehr erschrocken, als er am 3. Januar von der Verwendung an Silvester gehört habe. Selbst sei er nicht bei der öffentlichen Feier am Kochelsee gewesen.

Die Verwendung des Tondokuments sei entweder sehr dumm, oder derjenige, der es verwendet habe, mache sich verdächtig, Nazi-Gedankengut zu haben. Das werfe "einen unguten Schatten auf die Veranstaltung". Im Übrigen sei der Sportverein "grundsätzlich eine feste Säule der Gemeinde. Ich schätze den Sportverein sehr." Eines stellt der Bürgermeister aber unmissverständlich klar: "Derartiges Gedankengut hat in Kochel nichts verloren". Der Ort sei schließlich sehr weltoffen. Unter seiner Ägide als Bürgermeister habe die Gemeinde einen Kiosk am Bahnhof gekauft und abgerissen, der ein bekannter Neonazi-Treffpunkt gewesen sei. Es gelte das Wort: "Wehret den Anfängen!" Laut Holz gibt es in Kochel keine Neonazi-Szene mehr.

Bei der Feier selbst hat sich offenbar kaum jemand an dem Hitler-Ton gestört. Nur Norbert Warga , der dem Sportverein ebenso angehört wie der Gewerkschaft Verdi und der SPD, kritisierte die Verwendung. Einige Umstehende hätten ihm beigepflichtet, berichtete Warga. Am 1. Januar wandte sich Warga per E-Mail an den Sportvereinsvorsitzenden Willibald Köhler. " Was hat sich diejenige Person, die diese gesellschaftliche Geschmacklosigkeit im Namen des Sportvereins beging, nur dabei gedacht?", heißt es in der E-Mail, und weiter: "Dies schädigt das Ansehen des Sportvereins und der Gemeinde Kochel und bedarf dringender Wiedergutmachung."

Warga verlangte, dass sich der Sportverein "von diesem widerlichen Geschehen distanziert und sich öffentlich dafür entschuldigt". Zudem sollten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und natürlich dürften sich derartige nationalsozialistische Entgleisungen nicht wiederholen. Holz erhielt Wargas E-Mail ebenfalls. Er hat inzwischen vom Sportverein "lückenlose Aufklärung gefordert", allerdings auch mit einigen Tagen Verzögerung, die er mit seinem Urlaub erklärte.

Eine Stellungnahme des Sportvereins werde es frühestens am Samstagabend geben, sagte Köhler am Freitag. Für Samstag habe er nämlich eine Vorstandssitzung einberufen, auch mit dem Feuerwerker werde er sprechen. Wortreich rechtfertigte er sich am Telefon dafür, dass er nicht früher reagiert habe, er habe ja auch noch andere Arbeit. Köhler sagte, das Zitat sei ihm beim Feuerwerk aufgefallen, es sei nicht in Ordnung. Es habe sich aber kein anderer beschwert, "deshalb war es für mich kein Thema". Zudem sei der Hitler-O-Ton in andere Einspielungen eingebettet gewesen. "Der Feuerwerker soll das erklären."

Der Feuerwerker ist, wie seit Jahren, Markus Greiner, und erklären wollte er zumindest offiziell gar nichts, wie er am Freitag sehr aufgeregt am Telefon mitteilte. "Kein Kommentar", lautete seine Stellungnahme. Nichts zu sagen fiel ihm aber erkennbar schwer, sodass er doch recht viel sagte, woraus klar wurde, dass er zur Verwendung des Hitler-Originaltons steht und generell der Meinung ist, der Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte sei gestört.

Strafrechtlich wird die Sache keine Konsequenzen haben. Wie Andreas Guske, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd erklärte, ist die Verwendung des Zitats nach seinen Recherchen nicht verboten. "Es ist sicherlich geschmacklos, aber nicht alles, was geschmacklos ist, ist auch strafbar." Eine Anzeige sei bei der Polizei nicht eingegangen.

© SZ vom 11.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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