Abriss in Kochel:So gut wie platt

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Seit Samstag sieht das ehemalige Verstärkeramt in Kochel am See nicht mehr aus wie ein Denkmal. Auf der Südseite klaffen große Löcher in der Fassade. SPD-Gemeinderat Klaus Barthel kritisiert den eingeleiteten Abriss scharf. (Foto: N/A)

Die Polizei sieht keine Möglichkeit, den Abriss des ehemaligen Verstärkeramts in Kochel am See zu stoppen. Bürgermeister Thomas Holz wehrt sich indes gegen die Kritik - und will selbst rechtliche Schritte prüfen.

Von Petra Schneider und Florian Zick, Kochel am See

Am ehemaligen Verstärkeramt in Kochel am See ist am Montag der Abriss weitergegangen. Bauarbeiter machten auch den verbliebenen Rest der Einfriedung platt und richteten für die schweren Maschinen eine Zufahrt ein. "Das tut einem schon weh, wenn man hier vorbeikommt", sagt Gemeinderat Klaus Barthel (SPD). Es sei schließlich nicht irgendein Gebäude. Heute telefoniere man wie selbstverständlich mit dem Smartphone, aber die Grundlage dafür sei mit im Verstärkeramt gelegt worden. "Dieses Denkmal hätte man schützen müssen", findet Barthel deshalb.

Seit Samstagvormittag ist auf dem Gelände eine Abbruchfirma zugange. Wo momentan noch das Verstärkeramt steht, möchte die Gemeinde einen neuen Bauhof und ein kommunales Wohnhaus errichten. Den entsprechenden Bebauungsplan erließ die Gemeinde schon etwa anderthalb Monate, bevor der einstige Behördensitz unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Pläne der Gemeinde genießen deshalb quasi Bestandsschutz, das Landratsamt hat eine Abrissgenehmigung erteilt. Und trotzdem gibt es um die Baustelle großen Ärger.

Im Kern liegt das an einer Popularklage, die der Weilheimer Architekt Heiko Folkerts beim Bayerischen Verfassungsgericht eingereicht hat. Diese richtet sich formell zwar gegen den Bebauungsplan der Gemeinde, hat aber eigentlich natürlich den Erhalt des Verstärkeramts zum Ziel. Eine Entscheidung wird erst für nächstes Frühjahr erwartet - und trotzdem hat Kochels Bürgermeister Thomas Holz (CSU) ohne weitere Vorankündigung nun schon den Abriss veranlasst.

Folkerts hat deshalb noch am Samstagabend bei der Polizeiinspektion Bad Tölz Strafanzeige gegen Holz gestellt - wegen "mutwilliger Zerstörung" eines hochrangigen Baudenkmals und Verstoßes gegen das Bayerische Denkmalschutzgesetz. Mit dem gleichen Schreiben forderte er auch einen sofortigen Baustopp, "um weiteren Schaden an diesem Kulturdenkmal abzuwenden".

Seitens der Polizei sieht man sich unter den gegebene Umständen allerdings nicht zu einem Baustopp ermächtigt. Man werde den Sachverhalt zwar prüfen, sagt Dienststellenleiter Johannes Kufner. "Wenn die Erlaubnis vorliegt, können wir den Abriss aber nicht einstellen." Dies wäre nur möglich, wenn Folkerts ein gerichtliches Schreiben vorlegen würde, das den Stopp anordnet. Kufner will nun Kontakt mit der Gemeinde und dem Landratsamt aufnehmen - auch, um zu prüfen, ob der von Folkerts konstatierte Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. In diesem Fall würde der Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Nach dem abrupten Abrissbeginn sind Holz und Folkerts nun endgültig zerstritten. Der Bürgermeister sei "der Zerstörer von Kochel", sagt Folkerts. Schließlich gebe es im Ort auch noch das einstige "Ferienheim" auf dem Verdi-Grundstück, ein 1930er-Jahre-Bauwerk von Emil Freymuth. "Das hätte man auch längst unter Denkmalschutz stellen müssen", findet Folkerts. So sei es aber nicht davor gefeit, auch noch abgeräumt zu werden.

Holz will solche Vorwürfe nicht einfach auf sich sitzen lassen. Er werde prüfen lassen, ob er nicht auch seinerseits rechtlich gegen Folkerts vorgehen könne, sagt er. Man könne schließlich nicht behaupten, dass Kochel nichts zum Erhalt von Denkmälern unternehme. Der Bahnhof sei aufwendig saniert worden, "das ist jetzt ein Schmuckstück", so Holz. Und auch das ehemalige Schusterhaus an der Bahnhofstraße, das nun eine Kulturwerkstatt sei - da sei zusammen eine sechsstellige Summe investiert worden. Und das Ferienheim: "Das gehört uns schlichtweg nicht", sagt Holz. Also könne die Gemeinde nicht bestimmen, was damit passiere.

Beim Verstärkeramt dagegen hat die Gemeinde die Planungshoheit. In vier bis fünf Monaten, wenn der Abriss vollzogen ist, soll dort neu gebaut werden. "Ich weiß nur nicht, wie wir dieses millionenschwere Ding in den Haushalt einbringen sollen", sagt SPD-Gemeinderat Barthel. Fünf bis sechs Millionen Euro kosten ersten Schätzungen zufolge der neuen Bauhof und das Wohnhaus. Dabei sei in Corona-Zeiten auch in Kochel die Gewerbesteuer schwer einzuschätzen. Vielleicht, sagt Barthel, wäre es sinnvoller gewesen, das Verstärkeramt zunächst einmal stehen zu lassen.

© SZ vom 10.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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