Kleinkunst:"Das Dingelchen muss wachsen"

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Noch keine dreißig ist die Schlierseerin Christine Eixenberger, die mit ihrem Kabarett "Lernbelästigung" nun das zweite Programm auf die Bühne bringt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die junge Schlierseer Kabarettistin Christine Eixenberger legt mit ihrem Programm "Lernbelästigung" einen beinahe tadellosen Auftritt hin. Das begeisterte Publikum hat eine auffallend hohe Lehrerdichte

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Das hätte auch ungemütlich werden können: Das D'Amato so rappelvoll und gut besucht, dass nur noch ein einziger Sitzplatz am Bühnenrand für die Presse übrig war. Wer somit im vollen Kegel des Scheinwerferlichts mit einem Block auf den Knien Notizen macht, muss höchstwahrscheinlich bei einem Lehrer-Kabarett damit rechnen, dass die Notizen irgendwann mit Rotstift korrigiert würden, zum Gaudium des Publikums.

Doch soweit ist es am Freitag beim Auftritt der jungen Schlierseer Kabarettistin Christine Eixenberger nicht gekommen. Stattdessen verteilte sie lieber Fleißbildchen im Publikum, und diese gaben reichlich Applaus zurück. "Lernbelästigung" heißt das zweite und jüngste Programm von Eixenberger: Das Staatsexamen in der Tasche, ist die junge Grundschullehrerin von nun an dem Bildungsdschungel ausgesetzt. Wenn sie ihren Beruf offenbare, höre sie manchmal "Du arme Sau", manchmal auch einfach nur: "Aha, eine Bastelschlampe." Dabei war der Grund für die Berufswahl das Ausschlussverfahren.

Drei Semester habe sie zunächst Jura studiert. Doch die Aussicht, später die ganzen besoffenen Kumpels ihres Bruders verteidigen zu müssen, wenn diese im Vollrausch gerauft haben, während der Bruder sie noch anstachelte, weil die Schwester schließlich Arbeit brauchte - nein, das sei doch nicht das Wahre gewesen. Also Germanistik, habe sie überlegt. Doch als Bachelor sei man ja nicht mehr als "ein aufg'stellter Mausdreck". Folglich sei nur Lehramt geblieben. Jetzt also trage sie den einzigen akademischen Titel, der nach all den Bildungsreformen noch geblieben sei: Frau Eixenberger. Und während sie nun mit den Kleinen Duftsäckchen aus Kaminwurzn bastelt und die Liebesbriefe ihrer Schützlinge liest, lesen die Kollegen, die Gymnasial- und Realschullehrer wurden, längst schon die Beipackzettel ihrer Beruhigungsmittel.

Doch golden ist auch in den kleinen Klassen nicht alles. Kinder seien längst keine Kinder mehr, sondern Humankapital, und Schulen keine Schulen, sondern Standortfaktoren. Wenn dann so mancher der Rotzlöffel soviel Hirn wie der Spatz Fleisch am Knie hat, hilft nur das Mantra: "Ich liebe alle Kinder." Und so plauderte Eixenberger über tiefere Schichten der Wahrheit, Männlichkeitsriten auf dem Schulhof und Kinderlieder mit praktischen Tipps für die Pubertät: "Das Dingelchen muss wachsen."

Als Ausgleich sorgt ihr Arbeitgeber dafür, dass sie sich als Lehrerin fühle wie ein Rockstar - dauernd im Tournee-Stress. "Bist du aus dem schönen Oberbayern und findest reisen doof, na wunderbar, du kommst nach Hof", sang sie im Duktus einer Kultusministeriums-Hexe. Den größten Lacher erntete Eixenberger mit ihrem Schlusssatz an die Eltern: "Entspannt euch und vertraut uns, wir wissen, was wir tun."

Die junge Kabarettistin ist, das muss man ihr attestieren, ein großes Bühnentalent, mit viel Chuzpe und gesanglichem wie darstellerischem Können. Zumal Eixenberger noch so jung ist. Sehr jung, Jahrgang 1987. Darin liegt aber auch die Krux: Ihr Programm fußt auf jenem Leidensdruck, den man in diesem Berufsfeld gewiss irgendwann hat, aber doch hoffentlich erst mit den Jahren sammelt. Unweigerlich denkt man bei ihrem Programm an Hans Klaffl, den älteren Kollegen, der sich den gesammelten Wahnsinn und die gesammelten Leiden kurz vor dem Burn-out oder der Rente, je nachdem, was eher eintritt, von der Seele redet. Genauso erinnert ihr Programm in Teilen aber auch an Michl Müller mit dessen grotesken Schlagerparodien, an Polt mit seinen Typologien und auch an Lisa Fitz mit ihrem derben Charme.

Von all ihnen stecken Prisen in Eixenberger, die sich in Sachen eigener Linie also noch etwas freischwimmen muss. Vielleicht mit etwas charmanten, unterschwelligen Tönen zwischendurch. Nichtsdestotrotz, das Publikum, übrigens mit hoher Lehrerdichte, hat bereits jetzt schon viel gelacht, was zeigt, dass Eixenberger auf dem besten Weg zu höheren Weihen ist.

© SZ vom 26.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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