Wege in der Therapie:Was man von einem Pferd lernen kann

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Die Stute Vaiola hilft Michaela Metz beim Coaching. (Foto: Arlet Ulfers)

Beim systemischen Coaching kommen oftmals Tiere zum Einsatz. Michaela Metz arbeitet mit ihrer Haflingerstute Vaiola zusammen, um Menschen zu helfen.

Von Anja Brandstäter, Kempfenhausen

Vaiola ist aufmerksam und konzentriert. Mit größter Umsicht nimmt die Stute ihr Gegenüber wahr. Die Nüstern sind geöffnet, ihre Ohren richtet sie mal nach vorne, mal nach hinten. Über mehrere Meter hinweg erspürt das Pferd den Herzschlag, die Atmung und sogar die Temperatur ihres Gegenübers. Die große Empathie und das ungefilterte Verhalten machen das Tier für Michaela Metz so wertvoll. "Die Arbeit mit dem Pferd schafft einen offenen Raum, der Kreativität, Ressourcen und Neuorientierung ermöglicht", sagt die Heilpraktikerin für Psychotherapie. Fast wie ein Spiegel reflektiert die achtjährige Haflingerstute, was in einem Menschen vor sich geht. Als Herdentiere sind Pferde ausgesprochen soziale Wesen. Sie wissen sich einzuordnen und leben in einer strengen Hierarchie. Doch auch ihr Instinkt als Fluchttier ist scharf. Dieses Gespür für Gefahren haben Pferde durch die Evolution gerettet. Sekundenschnell ordnet Vaiola die jeweilige Situation ein und behält immer alles im Blick. Dabei begegnet sie ihrem Gegenüber zunächst wertfrei. "Wenn ein Pferd unsere Nähe sucht und bei uns sein möchte, wissen wir, dass uns das Pferd anerkennt, also uns vertraut, uns als sicheren Ort sieht", erklärt Metz. Aufgrund der Fähigkeit des Pferdes, sein Gegenüber auf Authentizität und Führungskompetenz zu prüfen, wird es gerne im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung eingesetzt.

Ort des Coachings ist der Schusterhof in Kempfenhausen. Inmitten schönster Natur, exponiert auf einer Anhöhe gelegen, ist der Hof ein Zuhause für etwa 40 Pferde, eine kleine Eselherde und eine Schar Hühner. Neben einem Reitplatz gibt es einen mit Holzlatten befestigten Round-Pen. So nennt man einen runden, eingezäunten Platz, auf dem mit dem Pferd auf einer Kreisbahn gearbeitet werden kann. Er ist ziemlich groß und bietet ausreichend Platz für Vaiola, um herumzulaufen, auf Abstand zu gehen oder sich abzuwenden. Doch über die Einzäunung schauen oder weglaufen kann sie nicht.

Pferde sind sehr sensibel. Diese Eigenschaft nützt Michaela Metz, um ihre Klienten zu beraten. (Foto: Arlet Ulfers)

Metz hat in die Mitte des Platzes zwei gelbe und eine blaue Trainingsstange so gelegt, dass sie ein Dreieck mit offenen Spitzen bilden. In der Mitte steht ein blauer Kegel. Auf einem Flipchart, das am Zaun befestigt ist, steht "Systemisches Coaching". Michaela Metz hat zwei Campingstühle mit einem Tischlein aufgestellt. Warmer Tee dampft aus den Tassen. Vaiola hat nur ein Halfter an und läuft frei herum. Sie lässt sich gerne durch ihr langes Winterfell kraulen. Auf jeden Fall macht sie das, was ihr gerade in den Sinn kommt. "Das systemisch pferdegestützte Coaching funktioniert wie ein inszeniertes Bild, das man an diesem geschützten Ort kreiert und intuitiv versteht", sagt Metz. "Auf diese Weise kommen ungeahnte, verborgene Ressourcen und Lösungswege an die Oberfläche, die bisher im Unbewussten lagen."

Die sogenannte Timeline-Arbeit etwa ist ein therapeutischer Ansatz, der sehr gut mit Unterstützung des Pferdes funktioniert. Für diese Methode legt Metz die drei Trainingsstangen nacheinander in eine Linie. Jede steht für einen anderen Lebensabschnitt, für die Vergangenheit, das Jetzt und den Ausblick auf die Zukunft. Die Timeline kann als inneres Abbild der eigenen Lebenszeit gesehen werden. Der Patient schreitet im Wortsinn gedanklich sein Leben entlang und erinnert sich an ressourcenvolle Situationen oder Beziehungen. Diese positiven Erinnerungen an das bereits Geschaffte geben Kraft und Mut auch für die Ziele, die noch in der Zukunft liegen.

Systemisches Coaching: Auf einem Flipchart notiert die Therapeutin wichtige Erkenntnisse. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Pferd kommuniziert über die Ohren, die Maul- und Nüsternpartie, die Schweif- und Körperhaltung sowie über die räumliche Körperstellung. Zum Beispiel kann sich das etwa 500 Kilo schwere Tier wie eine Bastion vor jemanden hinstellen. Es kann aber auch kreuz und quer über den Platz laufen. Die Fähigkeit höchster Sensibilität, die Vaiola naturgemäß besitzt, erleichtert es dem Hilfesuchenden, seine persönliche Situation besser zu erkennen.

Um auch mit Kindern arbeiten zu können, lässt sich Michaela Metz zur Reittherapeutin ausbilden. Dabei hat sie erkannt, wie gut es Kindern tut, mit Pferden in Kontakt zu treten. Sich vertrauensvoll tragen zu lassen ist für manches Kind eine wohltuende Erfahrung. Bei einer Übung führt die Trainerin die Stute am Halfter. Auf dem Rücken des Pferdes liegt nur eine Reitunterlage, sodass das Kind die Wärme des Tieres, den Rücken und jeden Schritt spüren kann. An einem Therapiegurt kann es sich festhalten. Die Kinder lernen, mit geschlossenen Augen auf dem Pferd zu sitzen, sich auf die Bewegung einzulassen, zu entspannen und dem Tier zu vertrauen. Bei Kindern verhalten sich Pferde oft sehr einfühlsam und vorsichtig. "Wer mit einem Pferd nichts zu tun haben möchte, vielleicht auch Angst vor dem Tier hat, dem empfehle ich andere Therapieansätze, zum Beispiel ein Coaching im Wald", sagt Metz.

Neben dem pferdegestützten Coaching bietet sie in dem Therapeuten- und Kompetenzzentrum "TheraSparks" in Wolfratshausen noch weitere Methoden an, wie beispielsweise Systemische Beratung, Achtsamkeitstraining, Meditation oder Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT).

Mehr darüber unter: www.wendepunkte-therapie.de

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