Jahresrückblick:Aufbruch in Geretsried

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Für die größte Stadt im Landkreis war 2015 ein gutes Jahr: Die Weichen für die S-Bahn-Anbindung sind gestellt, die Pläne für das neue Zentrum Karl-Lederer-Platz und für ein riesiges Wohnbauprojekt liegen bereit

Von Felicitas Amler, Geretsried

Eigentlich wäre alles in einem Satz gesagt: Es war ein gutes Jahr für Geretsried. Ein Jahr der Weichenstellung - Stichwort S 7 -, ein Jahr des Neuanfangs - der erste demokratisch gewählte Jugendrat -, ein Jahr der Mitmenschlichkeit - die Aufnahme der Flüchtlinge -, ein Jahr der Neuorientierung - urbanes Stadtzentrum Karl-Lederer-Platz - und ein Jahr der hoffnungsvollen Perspektive - Hunderte bezahlbare Wohnungen. Man könnte dagegen einwenden: Mal halblang, das meiste ist ja noch gar nicht realisiert. Dennoch, in Geretsried herrscht, ganz anders als in der Nachbarstadt, Aufbruchstimmung. Und das ist zumindest die beste Voraussetzung, damit sich etwas ändert.

Mit das Wichtigste für die Stadt ist die Aussicht auf eine Anbindung ans Münchner S-Bahn-Netz. Auch wenn alle Fachleute vorhersagen, es werde sicher noch zehn Jahre dauern, bis die erste S 7 am Stadtbahnhof Geretsried abfährt, so scheint es doch endlich eine berechtigte Hoffnung zu sein, dass die S-Bahn kommt. Alle warten nun auf den Abschluss des Planfeststellungsverfahrens. Städteplaner wie Alexander Wetzig, der dem Geretsrieder Gestaltungsbeirat - auch dies eine Neuerung des Jahres 2015 - angehört, sehen jedenfalls durch den erwarteten S-Bahn-Anschluss bereits einen enormen Druck auf die Stadt zukommen: "Man wird Ihnen die Bude einrennen", prophezeit Wetzig. Geretsried werde als Wohnstandort "in dieser wunderbaren Landschaft" entdeckt werden.

Die Auswahl an erschwinglichen Wohnungen in der Stadt ist freilich jetzt schon äußerst knapp. Wer in Immobilienportalen im Internet sucht, erzielt für Geretsried gerade mal drei, vier Treffer. Und die Geretsrieder Baugenossenschaft (BG), die große Verdienste um den Aufbau der Stadt hat und immerhin über mehr als 2000 Wohnungen verfügt, musste vor Monaten schon ein Schild an ihrem Verwaltungsgebäude anbringen, dass keine einzige frei sei.

Da kommt ein Plan, dessen Urheberschaft nicht ganz eindeutig zu klären ist, gerade recht: Auf dem Lorenzareal zwischen Elbe- und Banater Straße sollen 500 bis 600 bezahlbare Wohnungen errichtet werden. Das 4,2 Hektar große Gelände im Gewerbegebiet Geretsried-Nord, benannt nach der früheren Spielzeugfabrik Lorenz, ist im Besitz der Familien-GbR des Wolfratshauser Bauunternehmers Reinhold Krämmel. Er hatte geraume Zeit vergeblich versucht, dort ein Fachmärktezentrum, vor allem einen Baumarkt, anzusiedeln. Krämmel ist aber auch einer der wichtigen Ansprechpartner der Stadt am Karl-Lederer-Platz, der als neues attraktives und urbanes Zentrum entwickelt werden soll. Sei es nun, dass Bürgermeister Michael Müller (CSU) ihn oder dass Krämmel den Bürgermeister auf die Idee gebracht hat: Man habe sich jedenfalls "gefunden", sagt Müller über die Idee, auf dem Lorenzareal keine Konkurrenz zum innerstädtischen Einzelhandel zu etablieren, sondern Wohnungen zu bauen. Krämmel will hier mit der Baugenossenschaft zusammenarbeiten, und dabei soll das in der Landeshauptstadt München seit Jahrzehnten erprobte Modell der sozialgerechten Bodennutzung (SoBon) zugrunde gelegt werden. Der Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung dieses Jahres ohne große Diskussion den Weg dafür geebnet, dass Stadtverwaltung, Krämmel und BG entsprechend planen können. Eine Entscheidung für das Wohnbau-Großprojekt, das nach Müllers Worten einzigartig in der Region wäre, ist dies noch nicht. Aber eine Grundlage dafür.

Konkreter sind die Pläne für die neue Mitte Geretsrieds. Architekt Klaus Kehrbaum hat sie im Auftrag der Stadt konzipiert. Die Bürger waren mit einer eigenen Ideenwerkstatt daran beteiligt, zwei prominente Architekten - Winfried Nerdinger und Alexander Wetzig - beraten die Lokalpolitik, und der Stadtrat hat in einer Klausur Ende des Jahres noch einmal alles durchgespielt. Der Kern ist eine deutliche Verdichtung rund um den Karl-Lederer-Platz und Teile der Egerlandstraße (T-Zone), um für Einzelhandel, Dienstleistungen und fürs Wohnen Raum zu schaffen. Die Aufenthaltsqualität soll stark verbessert, das Parken zu großen Teilen in den Untergrund verlegt werden. Die biederen Bauten der 50er-Jahre sollen einer modernen Architektur mit fünf bis sechs Geschossen weichen. Prägnante "städtebauliche Hochpunkte" sind vorgesehen. Mit den ersten Neuerungen ist am Karl-Lederer-Platz 14 bis 18 zu rechnen: Dort plant Eigentümer Reinhold Krämmel ein zeitgemäßes Wohn- und Geschäftshaus. Wenn alles gut geht, ist im Sommer Baubeginn.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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