Instrumentenbau:Sie fühlen hundertstel Millimeter

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Berlin, Wien, Paris, Moskau: Das Geretsrieder Unternehmen Meinlschmidt fertigt höchst präzise Blasinstrumenten-Ventile für Orchester in aller Welt - seit 150 Jahren.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Höchste Präzision leisten bei Meinlschmidt keineswegs nur die Hightech-Maschinen. Viele Mitarbeiter des Betriebs, der Ventile für Metallblasinstrumente produziert, haben diese Präzision zwischen den Fingerspitzen: "Ein halbes hundertstel hat hier jeder im Gefühl", sagt Geschäftsführer Josef Patermann. Und er meint ein halbes hundertstel Millimeter. Patermann, sein Geschäftsführer-Kollege Manfred Leppmeier und Mitarbeiter Peter Praxmarer demonstrieren es am Beispiel der Gleitlagerung eines Drehventils. Je nachdem, wie streng oder leicht sich die glänzenden Metallteile bewegen lassen, wissen die Fachleute, ob schon alles passt oder noch daran gearbeitet werden muss.

Solche Kenntnis kommt aus Erfahrung. Und Erfahrung ist der größte Schatz eines Traditionsunternehmens. Das Haus Meinlschmidt, dessen Produkte in berühmten Orchestern der ganzen Welt zu finden sind, feiert am kommenden Wochenende sein 150-jähriges Bestehen. Am Freitag mit 150 geladenen Gästen, am Samstag mit allen, die kommen mögen, um sich das Unternehmen in einem umgebauten Bunker am Hirschenweg anzuschauen.

Und zu schauen gibt es allerhand. Bei Meinlschmidt - das betonen die beiden Geschäftsführer gern - verbinden sich modernste Technik und altes Handwerk. Neun CNC-Maschinen (Computerized Numerical Control) und 25 Mitarbeiter ergänzen einander. Pro Jahr werden Zylindermaschinen für rund 2500 Blechblasinstrumente verkauft, von der Piccolotrompete bis zur Tuba. Besucher können einen Blick in das Lager werfen, in dem Hunderte Stangen Metall und ungezählte Halbzeuge vorrätig gehalten werden; können zusehen, wie die computergesteuerten Apparate solche Stangen zu akkuratest bemessenen Teilen zerspanen. Sie können beobachten, wie etwa der 20-jährige Auszubildende Nils Kircher "Stützstengel" und "Stützlappen" verlötet oder wie die 50-jährige Alexandra Ohm, die seit 35 Jahren hier tätig ist, in der Endmontage Stücke poliert.

Das nach einem französischen Entwickler benannte Périnet-Ventil gehört zur Produktreihe bei Meinlschmidt.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Ventile gibt es in Blechblasinstrumenten erst seit 1810.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Beim Löten: Auszubildender Nils Kircher.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Ein Kollege beim Polieren.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Josef Patermann und Manfred Leppmeier (von links) führen dort seit 2001 die Geschäfte.

Besonders gern führen Patermann und Leppmeier Gäste in jene Abteilung, in der Männer wie Christos Makrygiannis oder Hans Hauptkorn "Ohren biegen". Dieser Ausdruck ist immer für einen Lacher gut. Die Ohren, um die es da geht, sind die Ventilausgänge respektive -anschlüsse, auch "Brocken" genannt. Und sie werden nach dem Biegen in die sogenannte "Büchse" eingefügt - 600 Stück in dreieinhalb Stunden, so viel schafften sie, meinen Makrygiannis, der seit neun Monaten bei Meinlschmidt arbeitet, und Hauptkorn, der 1975 als Schleifer hier begonnen hat.

Neusilber, Messing und Bronze seien neben Edelstahl die Metalle, die hauptsächlich verwendet werden, erklären die Geschäftsführer. Alles in speziellen Legierungen, die eigens für Meinlschmidt hergestellt werden. Das Unternehmen hat sich als Zulieferer für Blechblasinstrumente einen Namen gemacht. Einer der Geschäftspartner ist die Musikinstrumentenfabrik Gebrüder Alexander in Mainz - treu verbunden seit mehr als hundert Jahren.

Was die Musiker angeht, so reicht die Meinlschmidtsche Referenzen-Liste von den Berliner Philharmonikern über das Gewandhaus Leipzig und die Opéra de Paris bis zum Bolshoitheater Moskau. Und von den Wiener Philharmonikern erzählt Patermann stolz eine kleine Anekdote: Das Orchester habe neue Wagnertuben gebraucht und dies in aller Form ausgeschrieben - mit einer Einschränkung: Es kämen nur solche Anbieter zum Zug, die Ventile Marke Meinlschmidt verwenden.

Pattermann, 51, und Leppmeier, 48, sind beide gelernte Metallblasinstrumentenmacher, so lautet der Ausbildungsberuf. Und sie haben gemeinsam im Hause Meinlschmidt gelernt, kennen die Anforderungen jedes einzelnen Arbeitsplatzes. Seit sie 2001 die Geschäftsführung übernommen haben, wurde die Anzahl der Mitarbeiter verdoppelt und der Bestand an computergesteuerten Maschinen von drei auf neun ausgebaut: "In diesen fünfzehn Jahren haben wir einen siebenstelligen Betrag investiert."

Die einst erlernten Instrumente spielen Patermann (Trompete) und Leppmeier (Flügelhorn) schon längst nicht mehr. Die Arbeit ging vor. Sie wissen aber genau: Die Ventile haben entscheidenden Einfluss auf den Klang. Von der Biegung bis zum Gewicht spiele alles eine Rolle, sagen sie; man müsse nur bedenken, dass es allein 150 verschiedene Trompetenmodelle gebe. Individuelle Fertigung nach exakten Anforderungen der Kunden sei daher wichtig. Der Unterschied von der rein handwerklichen Herstellung anno 1866 und der computergestützten Produktion heute: "Die Genauigkeit war die gleiche. Aber damals war jedes einzelne Ventil ein Unikat, heute haben wir die Austauschbarkeit."

Wenn auch der Ausstoß - Zylindermaschinen für etwa 2500 Instrumente jährlich - gemessen am Weltbedarf von 500 000 bis 800 000 Stück nicht groß erscheint, so hat Meinlschmidt nach Ansicht seiner Geschäftsführer doch ein Alleinstellungsmerkmal: "Qualitativ sind wir mit Sicherheit der Weltmarktführer."

Tag der offenen Tür, Samstag, 10. September, 10 Uhr, Hirschenweg 5, Geretsried

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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