In der Loisachhalle:Poesie und Puppe

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In Nikolaus Habjans Hand scheint die Puppe zum Leben zu erwachen - ganz große Kunst. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ein Abend mit Nikolaus Habjan und der "Musicbanda Franui"

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

Nikolaus Habjan ist ein junger Mann, der viele Talente mitbringt. Eines davon ist das Puppenspiel. Ein anderes das Kunstpfeifen. Zusammen mit der wunderbaren Musicbanda Franui gestaltet er in der Loisachhalle einen Abend, der das Wolfratshauser Abo-Publikum zunächst überrascht, dann in andächtige Stille bannt und schließlich zu lauten Bravorufen hinreißt.

Habjans Name ist noch nicht jedermann geläufig, auch wenn der 31-Jährige in der Theaterszene als vielseitiges Talent mit interessanter Persönlichkeit gefeiert wird, besonders in seinem Geburtsland Österreich. Aber auch an der Bayerischen Staatsoper in München hat er schon inszeniert. Ein schmaler Mann, ganz in Schwarz, huscht am Donnerstagabend auf die Bühne der gut besuchten, wenn auch nicht ausverkauften Loisachhalle. In der Hand hat er eine Klappmaulpuppe. So heißen Figuren wie Ernie und Bert aus der Sesamstraße, deren Mund durch Öffnen und Schließen der Hand bewegt wird. Freilich sieht Habjans Klappmaulpuppe ganz anders aus: Verletzlich und anrührend wirkt sie, trotz ihres totenweißen Schädels und der rötlich glimmenden Augen. "Doch bin ich nirgend, ach! zu haus." Es sind die Zeilen aus dem Schubert-Lied "Der Wanderer an den Mond", die das Thema des Abends vorgeben. Schnell wird aus der Puppe eine Persönlichkeit, die Habjan zum Leben erweckt. Der Puppenspieler verschwindet hinter seinem Geschöpf, von ihm bleibt nur die betörende weiche Stimme, die flehend fragt: "Ich soll mich finden, sagt mir das Gestirn. Mich finden? Müsst ich mich da nicht vorher verlieren?"

Texte rezitiert zu bekommen kann ganz schön langweilig sein, aber diese Puppe schlägt alle in ihren Bann, so intensiv und ergreifend agiert sie. Noch nie hat man der berückend schönen Sprache Robert Walsers so atemlos gelauscht. Ohnedies dürften die Texte des Schweizer Dichters nur wenigen bekannt sein. Mal schickt Habjan seine Puppe auf eine Wanderung durch die Welt, auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Mal lässt er sie in die literarische Gestalt Robert Walsers schlüpfen, der wie besessen schreibt, sich immer wieder über den kahlen Schädel streicht, wie es alte Männer gern tun, und dazu eine Zigarette raucht. Täuschend echt ist die Gestik, kaum zu fassen, dass dies eine künstliche Figur sein soll. Der Titel "meisterhafter Puppenspieler" darf für Nikolaus Habjan gern so stehen bleiben.

Das romantische Ideal einer Wanderung im Mondschein, das überwältigende Gefühl des Ankommens und Daheimseins ("Der nächtliche Aufstieg") schlägt jäh um in die befremdliche Geschichte vom Mann mit dem Kürbiskopf, der sich verzweifelt und frierend zum Sterben niederlegt. Wer im Saal weiß, dass der rätselhaft gebliebene Robert Walser (nicht verwandt mit Martin Walser) 1956 bei einem seiner geliebten Streifzüge durch die winterliche Natur starb, kann der Szene sicher noch mehr abgewinnen.

Erst spät stellt sich die Banda Franui vor, das zehnköpfige Musikensemble aus Osttirol, das Texte und Puppenspiel trefflich begleitet. Schumann, Schubert, Brahms und Mahler - Komponisten, die sich in ihren Werken gern dem Thema des Wanderers in der Welt gewidmet haben - interpretieren sie auf ihre charakteristische Art, die oft nach Neuer Volksmusik klingt, nach Klezmer und Folklore. Habjan begegneten sie 2012 am Wiener Burgtheater, seitdem treten sie öfters gemeinsam auf. Nach dem gefühlsintensiven Rezitationsteil gelingt ihnen mit dem "Triangel" von Georg Kreisler ein Stimmungswechsel. Dramaturgisch ist das sehr geschickt gemacht, genauso wie den Spannungsbogen im Programm nicht durch eine Erfrischungspause zu stören.

Dann das Finale: Habjan gibt eine Kostprobe seines Talents als Kunstpfeifer. Das Publikum ist überwältigt davon, wie er nachtigallengleich "Du bist die Ruh" von Franz Schubert tiriliert, und dankt dafür mit großem Jubel. Ein Abend, der noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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