In der Christkönigkirche Penzberg:Große Visionen vor halb leeren Reihen

Lesezeit: 2 min

Die Solisten Anna Karmasin, Nikolaus Pfannkuch und Christian Feichtmair (v. li.) bei der Uraufführung des "Magnificat" von Holger A. Jung. (Foto: Manfred Neubauer)

Günther Pfannkuch leitet die Uraufführung des "Magnificat" von Holger A. Jung

Von Klaus-Peter Volkmann, Penzberg

Für die Musikfreunde Penzberg hat der dritte Advent in diesem Jahr einen besonderen Erinnerungswert. Beim Weihnachtskonzert in der Christkönig-Kirche, das sie am Wochenende zweimal präsentierten, war Musik zu hören, die bislang nur in Form von einer druckfrischen Partitur existierte. Günther Pfannkuch hatte den Komponisten Holger A. Jung erneut zu einem gemeinsamen Projekt angeregt - zu einer Vertonung des "Magnificat", eines Bibel-Textes, der im Sinne des christlichen Glaubens untrennbar mit der Vorbereitung auf Weihnachten verbunden ist.

Man muss es sich bewusst machen: Da besucht im ländlichen Palästina eine einfache junge Frau namens Maria in Erwartung eines Kindes ihre Base Elisabeth - und erkennt dort mit einem visionären Lobpreis Gottes, wie dieser durch sie und ihr Kind mit Macht die Welt verändern will. In den seither vergangenen 2000 Jahren haben die visionären Erkenntnisse Marias nichts von ihrer Wucht und Dramatik verloren. Seit Jahrhunderten gehören sie zu den wichtigsten Überlieferungen des Christentums, wurden immer wieder neu bedacht - und von Komponisten musikalisch interpretiert.

Holger Jung hat das überlieferte lateinische "Magnificat" für seine Komposition um einige englischsprachige Texte ergänzt und es so zu einer Marienkantate weiterentwickelt. Jung ist in Oberammergau aufgewachsen und wurde dort als Komponist im besten Sinne konservativ geprägt. Trotzdem ist seine Musik in vielfältiger Weise inspiriert von der Gegenwart.

Die Klangwelt eines klassischen Orchesters (Streicher, einfach besetzte Bläserstimmen) verbindet er in seinem "Magnificat" kreativ mit moderner Instrumentierung und mit Klängen, wie sie aus dem Jazz, der Pop-Musik oder auch von Musicals und aus der Filmmusik bekannt sind.

Hörbar wird dies schon bei den ersten Tönen des neuen Werks, wenn sich schwebender Klarinettenton und Harfenklänge verbinden und orientalische Assoziationen wecken. Für den Zuhörer sicher überraschend: Jung hat die aufeinander folgenden Abschnitte des Textes völlig unterschiedlich vertont. So beginnt Marias lateinischer Lobpreis eher streng klassisch im vollem Tutti, gefolgt vom englischen "Queen of Heaven" durch den Bariton-Solisten mit Posaunen-Glissandi. Anschließend leiten swingende Big-Band-Klänge einen Canon des Chores ein, auf den wiederum der Tenor-Solist in fast opernhaften Arien vier Strophen eines Mariengebets ("Hail Mary") vorträgt.

Stehen die unterschiedlichen musikalischen Stilformen zu Beginn noch eher nebeneinander, so nähern sie sich im weiteren Verlauf zunehmend einander an. Zum Höhepunkt werden vor allem die hoch dramatischen Textpassagen "Quia fecit" (Großes hat der Gewaltige an mir getan), "Fecit potentiam" (Macht hat er geübt) und "Deposuit potentes" (Herrscher hat er vom Thron gestürzt). Rhythmen, Klangfülle und Dynamik erfahren hier gewaltige, jedoch stets kontrollierte, nie schrille Steigerungen - und dies in unterschiedlichsten Ausdrucksformen, mit großen Akkorden in klassischer Harmonie ebenso wie durch wuchtige Bläsereinsätze, Klangfarben des Akkordeons und gezielt gesetzte Akzente des großen Percussion-Instrumentariums.

Nicht weniger berührend ist die Musik der ruhigeren Passagen - etwa im Sopran-Solo des "Et misericordia" (Und sein Erbarmen), im englischen "Bless the Lord" aller Solisten (Segne den Herrn), sowie im "Esurientes" (Hungernde). Am Ende des Werkes schließlich die Entwicklung hin zu einem großen, festlichen Abschluss im "Amen", ehe ein nahtloser Übergang zurückführt zum klanglichen und rhythmischen Zitat des "Magnificat"-Beginns.

Das Sinfonieorchester im Pfaffenwinkel mit dem Vocalensemble Penzberg sowie die Solisten Anna Karmasin (Sopran), Nikolaus Pfannkuch (Tenor) und Christian Feichtmair (Bariton) ließen ihre Freude an der neuen Musik spüren und boten mit voller Hingabe eine gelungene Uraufführung. Dass die vorher aufgeführte Simple Symphony Benjamin Brittens, vom Streichorchester sauber präsentiert, vielleicht nicht so recht ins weihnachtliche Programm passte, tat dem keinen Abbruch.

Leider war bei der Uraufführung des "Magnificat" am Samstag allenfalls die Hälfte der Plätze in der Christkönig-Kirche besetzt. Umso erfreulicher der lange Beifall und die große Begeisterung von Mitwirkenden und Konzertbesuchern. Bleibt zu hoffen, dass die interessante Vielgestaltigkeit des Werks in der Musikwelt Neugierde weckt und damit Holger Jungs "Magnificat" gelegentlich auch anderenorts zu hören sein wird.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: