Iffeldorf:Berührende Schwingungen

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Klaus Feßmann und eines seiner geheimnisvollen Instrumente. (Foto: Manfred Neubauer)

Steine bergen für Klaus Feßmann das Gedächtnis der Erde. Er lässt sie singen

Von Sabine Näher, Iffeldorf

Manche Menschen sammeln Briefmarken oder Münzen, die sich in Alben ordnen und im Regal verstauen lassen. Klaus Feßmann sammelt Klangsteine - gewaltige Trümmer, denen der in Iffeldorf lebende Künstler wundersame, sphärische Musik entlockt. "Dieser Klang berührt den ganzen Körper", sagt Feßmann. "Er ist die totale Befreiung von allen möglichen festgelegten Prinzipien. Mit ihm nähert man sich dem Urphänomen Musik."

Man spürt sofort: Der Komponist und Pianist, der als Professor am Mozarteum in Salzburg wirkt, ist seinen Steinen verfallen. So haben diese auch nach und nach das ganze Haus erobert, bis Ehefrau Andrea Feßmann, bekannt als Sängerin und Chorleiterin, ein Machtwort sprach. Ein hübsches Gartenhäuschen bietet den Steinen nun ein neues Domizil. Drei von ihnen haben den Weg allerdings schon wieder zurück ins Wohnzimmer gefunden. Und "die eigentliche Sammlung" befindet sich in seinem Salzburger Atelier.

Das Paar hat über die Klangsteine zueinander gefunden. In Tutzing hatte die Evangelische Akademie ein Symposion für Klaus Feßmann und seine "Musik der Steine" ausgerichtet, zu dem auch die Sängerin Andrea Letzing eingeladen war. "Als ich vorführte, wie ich den Stein zum Klingen bringe, begann Andrea plötzlich, dazu zu singen. Es war eine unglaubliche Erfahrung: Als hätte ich ihre Stimme in meinen Händen." Das war der Beginn einer Freundschaft, die einige Jahre später in eine Ehe mündete und zur Gründung des Ensembles Laetare führte, in dem die Feßmanns gemeinsam mit Georg Baum an der keltischen Harfe musizieren.

Wie kommt man auf die Idee, Musik mit Steinen machen zu wollen? Zur Erklärung holt der 65-Jährige weit aus, erzählt von Nürtinger Jugendtagen, seinem Studium in Stuttgart und Freiburg - und von Werner Dürrson. Der Lyriker hatte eine Weile in einer Höhle in Frankreich zugebracht und aus dieser experimentellen Erfahrung den Zyklus "Höhlensprache" verfasst. Er bot Feßmann an, diesen zu vertonen. Der Komponist machte sich auf die Suche nach geeigneten klanglichen Mitteln. "Da habe ich erstmals an Steine gedacht und zu meiner Überraschung entdeckt, dass es da eine 4000-jährige Tradition gibt, insbesondere in China, Vietnam und Korea."

Von da an war er infiziert, begab sich auf die Suche nach geeigneten Steinen und recherchierte im Netz. So fand er einen Bildhauer, der sich darauf spezialisiert hatte, Klangsteine herzustellen. Autodidaktisch näherte er sich der Materie weiter an: "Man muss zunächst die Lamellen aufsägen. Doch bei den ersten Versuchen kam nicht sehr viel Klang raus." Geowissenschaftler brachten ihn wieder einen Schritt weiter. "Ich habe um die 20 Tonnen Stein gekauft. Meine Devise ist: Wenn, dann richtig!" Und so suchte, fragte und recherchierte er unermüdlich weiter.

In mehr als 25 Jahren entwickelte er sich zum Klangsteinprofi, dessen Erfahrungen und Kenntnisse auf großes Interesse stoßen. Er hat mehrere Bücher zum Thema verfasst, einige CDs eingespielt, eine Reihe fünfminütiger Filme für den BR gedreht. Und natürlich konzertiert er auch mit seinen Lieblingsinstrumenten. Die Spieltechnik hat er sich selbst angeeignet. Drei Techniken sind zu unterscheiden: Die synchrone Bewegung beider Hände an den Seiten des Steins, eine alternierende Bewegung ("wie beim Fahrradfahren") und eine Tremolobewegung mit kleinen, raschen Bewegungen beider Hände. Jede Lamelle kann einen oder mehrere bestimmte Töne erzeugen, somit können präzise Tonhöhen erreicht werden. "Rasche Tonwechsel sind jedoch nicht möglich", erläutert Feßmann. "Eine traditionelle Melodie entsteht also nicht. Es geht eher um Klangflächen."

Da seine Musik auch zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird, hat er ein Notationssystem entwickelt, das er Musik- oder Physiotherapeuten vermittelt. Das SWR-Fernsehen hat darüber einen Film mit dem Titel "Wenn Klänge heilen" gedreht. "Mir ist es wichtig, Musik zu machen, die die Menschen berührt, ja, die sie glücklich macht", sagt Feßmann. "Einer wie Stockhausen hätte sich eher umgebracht, als diesem Credo zu folgen." Sein im Südwest-Verlag erschienenes Buch "KlangSteine" trägt den Untertitel "Begegnung mit dem ewigen Gedächtnis der Erde". Das könnte ein Ansatzpunkt sein, um die magische Wirkung dieser Musik zu erklären.

Auch der musikalischen Grafik fühlt sich Feßmann verbunden. Seine Partituren sind zugleich Bildkunstwerke, die regelmäßig in Ausstellungen präsentiert werden.

Adventskonzert Laetare, mit Klaus Feßmann, (Klangsteine), Andrea Feßmann (Gesang), Georg Baum (Keltische Harfe) und Eberhard von Radetzky (Sprecher), Samstag, 3. Dezember, 19.30 Uhr, Evangelische Kirche, Penzberg

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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