Klangwelt Klassik:Elektrisierende Mischung

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Spannungsvolles Miteinander: Das Leonkoro Quartett mit Marie Chilemme (Viola) und Raphaël Merlin (Violoncello). (Foto: Ruth Renée Reif/oh)

Das junge Leonkoro Quartett trifft in Icking auf drei Mitglieder des legendären Quatuor Ébène - ein Ereignis.

Von Klaus Kalchschmid, Icking

Die erste Begegnung mit dem jungen Leonkoro Quartett liegt kaum ein Jahr zurück. Damals spielten die Vier in der Akademie der Schönen Künste in München geradezu aufregend Streichquartette von Wolfgang Rihm zu dessen 70. Geburtstag. Daher war die Vorfreude auf ein ganzes Konzert bei Klangwelt Klassik im Konzertsaal des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums denkbar groß. So ging es wohl auch allen, die schon am Nachmittag bei einem Meisterkurs dabei sein konnten: Gabriel LeMagadure, zweiter Geiger vom Quatuor Ébène, arbeitete da mit Jonathan Schwarz und Amelie Wallner (Geigen), Mayu Konoe (Bratsche) und Lukas Schwarz (Cello) intensiv am Kopfsatz von Ludwig van Beethovens op. 59/1.

Am Abend folgte Schumann, Schulhoff und zum krönenden Abschluss das Streichsextett Nr. 1 B-Dur von Johannes Brahms. Nun stießen andere Mitglieder des Quatuor Ébène als zweite Bratsche und zweites Cello hinzu: Marie Chilemme und Raphaël Merlin.

Es hat Tradition, dass dieses Quartett Musik macht mit anderen Ensembles, ob im Sextett oder Oktett. Allerdings kommen dann zu den Ébènes meist zwei oder vier andere Musiker dazu. Hier wirkten Bratsche und Cello eher im Hintergrund, denn das Leonkoro Quartett bestimmte mit seiner ungeheuren Intensität die Aufführung.

Überraschend war dabei, dass der dichte Brahms'sche Satz dadurch keineswegs überfrachtet wurde, sondern eine besondere Deutlichkeit bekam, nicht zuletzt im "Andante, ma moderato". Dessen großartiges Thema in Verschränkung von barockem Gestus und romantischer Harmonisierung wurde in sechs Variationen beleuchtet, in denen Brahms alle Register zieht bis hin zur Annäherung an die letzten Takte von Franz Schuberts Lied "Der Tod und das Mädchen" am Ende. Die sechs Instrumentalisten waren da mit einem Feuereifer zu Gange, der das musikalische Geschehen immer wieder unter Strom setzte, was auch dem ungestüm vitalen Scherzo immer wieder neue Schubkraft verlieh, während das Finale genau den Ausdruck erhielt, den schon die Satzbezeichnung spiegelt: "Poco Allegretto e grazioso".

Das war der aufregend gelöste Schlusspunkt eines Konzerts, das nicht minder qualitätvoll begonnen hatte - mit den Fünf Stücken für Streichquartett von Erwin Schulhoff aus dem Jahr 1923. Sie zeugen von der flirrenden Atmosphäre des Aufbruchs vor hundert Jahren. Zwanzig Jahre später fand das Leben des Komponisten ein jähes Ende, als er, gerade mal 48 Jahre alt, im Juni 1942 kurz vor seiner Emigration in die Sowjetunion interniert wurde und zwei Monate später an Tuberkulose starb.

Das denkt man immer mit, wenn man hört, wie der 29-Jährige wienerisches, tschechisches und argentinisches Idiom weniger zitiert oder paraphrasiert als vielmehr zum Ausgangspunkt spannungsvoll aufgeladenen Miteinanders macht. Beim Leonkoro Quartett ergaben Präzision der Intonation, perfektes Zusammenspiel und höchstmögliche Expression eine elektrisierende Mischung. Dafür gab es die ersten Bravo-Rufe im Publikum und überaus herzlichen Applaus.

Beste Voraussetzungen waren das für das dritte Streichquartett A-Dur aus dem Opus 41 von Robert Schumann, das leider sein letztes bleiben sollte. Doch was für eine Reife und Schönheit spricht aus dem Werk, dessen zweiter Satz eine spannende Kombination aus Scherzo und Variationensatz darstellt. Wieder konnte man eine schier überbordende Intensität des Ausdrucks erleben, die allenfalls im Finale ein wenig über das Ziel hinausschoss. Doch bei Instrumentalisten, die alle noch keine 30 Jahre alt sind, werden sich früh genug die Extreme abschleifen. Und man denkt an manches Konzert des blutjungen Quatuor Ébène, unmittelbar nachdem sie 2004 den ARD-Musikwettbewerb gewannen: Da konnte ein Finalsatz schon mal so viel Verve haben, dass die vier Franzosen beinahe aus der Kurve flogen!

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