Bhagwan-Kommune in Icking:"Gehirnwäsche hinter der Fassade von Freiheit"

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Eine Bhagwan-Kommune versetzte 1981 die Gemeinde Icking in Aufregung. Der Kinofilm "Sommer in Orange" greift diese Geschichte auf. Gemeinderätin Vigdis Nipperdey erinnert sich an Disco-Partys, eine "Politik der kleinen Nadelstiche" - und an ihren Kampf gegen die Hippies.

Isabel Meixner

Icking im Jahr 1981: Eine Bhagwan-Kommune versetzt die Gemeinde in Aufregung. Es formiert sich Widerstand gegen die Bewohner und ihr Meditationszentrum, und keine fünf Monate später sind sie wieder verschwunden. Der Kinofilm "Sommer in Orange" greift diese Geschichte auf. Vigdis Nipperdey, 66, seit 1978 Gemeinderätin in Icking, erinnert sich an Disco-Partys, Hippies in Orange und eine "Politik der Nadelstiche".

"Sommer in Orange": Film und Wirklichkeit klafften auseinander, sagt Vigdis Nipperdey. (Foto: dapd)

Frau Nipperdey, Sie haben Anfang der 80er Jahre gegen die Bhagwan-Kommune gekämpft. Hat Ihnen deren Einstellung zu freier Liebe und Spiritualität nicht gepasst?

Der Lebensstil war für mich nicht das Problem, sondern dass hinter der Fassade von Religion, Spiritualität und angeblicher Freiheit einerseits handfeste wirtschaftliche Interessen standen, andererseits die Sekte mit manipulativen Psychomethoden wie Gehirnwäsche arbeitete. Meine primäre Sorge galt aber vor allem den Jugendlichen, denn die Bhagwan-Anhänger hatten ein Haus nicht weit vom Gymnasium angemietet. Ob das Zufall war oder dahinter System steckte, weiß ich nicht.

Wie sind Sie gegen die Kommune vorgegangen?

Meine Haltung war: Wir müssen eine Politik der Nadelstiche betreiben. Wir wussten, dass wir sie nur so weiterbringen. Man konnte die Bhagwans nicht einfach rauswerfen, sie hatten schließlich einen rechtsgültigen Mietvertrag. Große Unterstützung erfuhren wir vom Landratsamt, das jeden Tag einen anderen Beamten, etwa vom Jugendamt oder der Gewerbeaufsicht, vorbeischickte. Dem Vermieter wurde schließlich der Druck zu groß, auch weil in der Zeitung häufig über die Kommune berichtet wurde. Er kündigte daraufhin den Mietvertrag.

Sie haben die Bhagwan-Anhänger also aus Icking weggeekelt?

Sagen wir so: Wir haben ihnen das Leben nicht gemütlich gemacht. Wir wollten nicht der Ort sein, in dem andere Leute in ihr Unglück gestürzt werden.

Was bekam man in der Gemeinde denn mit von der Kommune?

Die Sekte hatte das Haus für monatlich 10 000 Mark gemietet und versuchte, mit Wochenendseminaren und großen Disco-Partys Geld zu machen. Dafür haben sie sogar am Münchner Marienplatz Einladungen verteilt. Die Nachbarn waren begreiflicherweise sehr aufgebracht. Schließlich war der Schäftlarner Weg ein unausgebautes Sträßchen und ist es bis heute. Mehr Verkehr und großes Publikum musste Unmut erzeugen. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, keiner wusste, wie viele Personen dort dauerhaft lebten. Es dürften zwischen 15 und 25 gewesen sein.

Wie stand die Ickinger Bevölkerung der Kommune gegenüber?

Der überwiegende Teil war dagegen, aber es gab keine einheitliche Front. Unser damaliger Bürgermeister Stocker war auch dagegen, aber ein wenig ratlos. Da ging es ihm wie den meisten Ickingern. Heute sind die Leute etwa wegen der Scientology-Debatte über Sekten aufgeklärt; das war damals noch nicht der Fall.

Hatten Sie einmal Kontakt zu der Gruppe?

Nein, ich hatte keinen Grund dazu. Die objektiven Informationen haben genügt, um sich ein Bild zu machen. In meiner Funktion als Gemeinderätin hätten sie mich nicht ins Haus gelassen; und so zu tun, als wäre ich eine Interessentin, das würde ich nie machen.

Würden Sie heute noch einmal so agieren?

Ja. Man muss dazu sagen, dass auch der Verdacht bestand, dass in dem Haus Drogen genommen werden. Zum damaligen Zeitpunkt wurden Bhagwan-Anhänger am Flughafen München wegen Drogenhandels festgenommen. Als ich diesen Verdacht in der Zeitung äußerte, drohte mir die Bhagwan-Sekte mit strafrechtlichen Konsequenzen und Schadensersatzansprüchen.

Wie nah kommt der Film "Sommer in Orange" der Wirklichkeit?

Die Anhänger trugen tatsächlich immer Orange. Ansonsten hat die Darstellung der WG mit der damaligen Realität in Icking wenig gemein. Der Einödhof am Waldrand war in Wirklichkeit eine Villa im reinen Wohngebiet. Außerdem waren die Bhagwan-Anhänger keine geschlossene Gruppe, die ungestört für sich leben wollte, sondern sie wollten vor allem Anhänger werben. Schließlich musste die Miete ja erwirtschaftet werden. Was im Film gut dargestellt wird, sind die Manipulationstechniken der Sekte. Am eindrucksvollsten finde ich die Darstellerin des Mädchens Lilly, das die eigenen Kindheitserfahrungen der Drehbuchautorin wiedergibt.

© SZ vom 03.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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