Hospizhilfe:Einfach nur da sein

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Im Altenheim in Ebenhausen mangelt es an Hospizbegleitern. Nur wenige Menschen interessieren sich für dieses Ehrenamt. Dabei lebt die Hospizhilfe von deren Engagement und entlastet Pflegekräfte und Angehörige.

Von Katharina Schmid, Schäftlarn

"Das Sterben meines Mannes war für mich dann nichts Schlimmes mehr. Die Frauen waren mit so einer Liebe um uns herum, haben mich aufgefangen und getröstet. Da konnte ich akzeptieren, dass das der Weg des Lebens ist." Melitta Biermanns Stimme zittert, als sie von den letzten Monaten im Leben ihres Mannes erzählt. Die alte Dame mit der gepflegten Dauerwelle, die heute im Wohnbereich des Evangelischen Alten- und Pflegeheims im Schäftlarner Ortsteil Ebenhausen lebt, sagt, dass ihr Mann einen "liebevollen" Tod gestorben sei. Ihre Mimik, ihre Gesten, sie drücken Dankbarkeit aus. Die 90-Jährige schildert das Gefühl von Verzweiflung und Ohnmacht, das sie überkam, als sie vor vier Jahren die Nachricht von der schweren Erkrankung ihres Mannes erhielt. Wie sollte sie das nur alles schaffen? Sie bekam Hilfe von fünf Frauen eines ambulanten Hospizdienstes. "Für mich waren diese Frauen ein Geschenk."

Hoch über dem Isartal liegt das mehr als 100 Jahre alte Alten- und Pflegeheim der Inneren Mission München in Ebenhausen. Es bietet 100 Pflegeplätze, einige davon in der Einrichtung "Sonnenhof" für demenzkranke Menschen und weitere im Wohnbereich. Momentan kämpfen die Verantwortlichem mit einem Mangel an Hospizbegleitern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Hospizbegleiter unterstützen schwerstkranke und sterbende Mensch und deren Angehörige in den letzten Wochen vor dem Tod. Sie sind für ambulante Dienste oder in stationären Einrichtungen tätig. So auch im Altenheim in Ebenhausen. Vier Hospizbegleiter stehen dort derzeit den Bewohnern bei, die einen baldigen Tod erwarten. Auf ehrenamtlicher Basis. Seit in den 1980er Jahren die ersten Hospizinitiativen in Deutschland entstanden sind, lebt die Bewegung vom Ehrenamt.

Doch: "Es sind zu wenige. Da bleiben Lücken in der Versorgung, das muss man ganz nüchtern sagen." Das sagt Wilfried Bogner, der Leiter des Alten- und Pflegeheims Ebenhausen. Er beobachtet einen Mangel an Hospizbegleitern nicht nur in seinem Haus. Vor wenigen Jahren waren statt der heute vier dort noch zehn Hospizbegleiter regelmäßig im Einsatz.

Pfarrerin Dorothea Bergmann besetzt für den evangelischen Träger der Einrichtung, die Innere Mission München, die Fachstelle "Spiritualität - Palliative Care/Hospizkultur - Ethik - Seelsorge (SPES)". Dort ist sie für die Organisation und Koordination der Hospizbegleitung in insgesamt zehn Alten- und Pflegeheimen tätig. Über Jahre hat sie zudem den Hospizdienst in Ebenhausen geleitet, wo sie zusammen mit der langjährigen Hospizbegleiterin Christine Walz bis heute Kurse für Hospizbegleiter anbietet. Erst am Mittwoch startete ein neuer Kurs. Immerhin acht Interessenten kamen zum Informationsabend. Aber Bergmann ist ehrlich: "Ich hatte mir noch mehr Interessenten erhofft." Denn ihrer Erfahrung nach würde sich höchstens die Hälfte der Teilnehmer am Informationsabend tatsächlich zu Hospizbegleitern ausbilden lassen. Einrichtungsleiter Bogner freut sich dennoch ob der Zahl der Interessenten. Vor allem, nachdem beim letzten Kurs gar niemand gekommen war.

Als ihr Mann schwer erkrankte, nahm Melitta Biermann die Hilfe eines Hospizdienstes in Anspruch. Sie ist dafür noch heute dankbar. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Walz ist seit acht Jahren als Hospizbegleiterin im Ebenhausener Pflegeheim tätig. Sie hat schon viele Kollegen kommen und gehen sehen. Und auch sie selbst hat schon eine längere Pause eingelegt. Die brauche es von Zeit zu Zeit, sagt sie. "Nur wenn es mir gut geht, kann ich Gutes geben." Nur, wenn man sich selbst und seine Alltagssorgen aus dem Bewohnerzimmer draußen lasse, könne man wirklich da sein für den Sterbenden. Genau darum geht es bei der Sterbebegleitung: da sein. "Man muss die Bedürfnisse des Menschen herausfinden", sagt Walz. Manchmal könne das heißen, einfach nur dazusitzen, die Hand zu halten. Manche Menschen würden anfangen zu erzählen, wieder andere, Fragen zu stellen. "Ich muss mich ganz auf den Menschen einlassen und ich muss ihm sein Los lassen", sagt Walz. Dieses Los müsse man als Hospizbegleiter akzeptieren, auch um selbst die psychische und physische Belastung zu ertragen.

Dorothea Bergmann, Koordinatorin der Hospizhilfe. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Oftmals sei es aber auch für Angehörige schwierig, die Hilfe eines Hospizdienstes anzunehmen, beobachtet Bergmann. Der Tod eines geliebten Menschen fühle sich dann plötzlich "unumkehrbar" an. Die Hilfe durch Hospizbegleiter mache deutlich, dass das Leben tatsächlich zu Ende gehe. Trotzdem werden immer mehr Hospizbegleiter gebraucht. Zumindest in den Pflegeheimen, die Bergmann betreut, seien sie stark nachgefragt.

In Ebenhausen bestimmen die Hospizbegleiter selbst, in welchem Umfang sie ihrem Ehrenamt nachgehen. Darauf legt Einrichtungsleiter Bogner großen Wert. Warum die Zahl der Menschen, die sich diesem Ehrenamt widmen, kleiner wird, darüber können Bogner und Bergmann nur spekulieren. Bergmann führt den Rückgang etwa auch darauf zurück, dass immer weniger Menschen neben der durchgetakteten Arbeitswoche Zeit für ein Ehrenamt fänden. Auch hätten sich in den vergangenen Jahren viele für die Flüchtlingsarbeit engagiert. "Die fehlen uns dann", sagt Bergmann. Bogner beklagt zudem, dass es schlecht um die Finanzierung der Hospizarbeit bestellt sei. Auch wenn die Aufwandsentschädigung für die Ehrenamtlichen keinen großen finanziellen Posten darstelle, sie koste. "Wir finanzieren das im Haus irgendwie quer", sagt Bogner. Mit der Pflegekasse könnten diese Dienste nicht abgerechnet werden. Deshalb sei das Heim auf Spenden angewiesen, die oft von den Angehörigen ehemaliger Bewohner kommen würden.

Doch auch für das Ehrenamt brauche es Strukturen, damit es funktioniert, ist Bogner überzeugt. Hier sei die Politik gefragt. "Politisch wurde viel Schönes diskutiert, aber es kam zu wenig Greifbares heraus." Zwar sei mit dem Hospiz- und Palliativgesetz von 2015 eine "Signalwirkung von gesetzgeberischer Seite" ausgesendet worden, so Bogner. Der erhöhte Aufwand, den eine Palliativversorgung erfordere, sei jedoch "in keiner Weise im Gesetz abgebildet", sagt Bergmann. Sie fordert vor allem mehr Hospize. Weil der Platz dort nicht ausreiche, würden Menschen oft in Altenheime gegeben. Dabei sei hier das Pflegepersonal schon im Alltag überlastet, sagt Bogner. Zusätzliche Hospizarbeit zu übernehmen, sei deshalb kaum möglich. Dabei würden viele Pfleger die Bewohner in der letzten Phase ihres Lebens nur ungern alleine lassen. Für sie sei es umso wichtiger zu wissen, dass mit den Hospizbegleitern jemand für die Bewohner da sei.

Nicht nur für Pfleger und Angehörige ist der Hospizdienst eine Erleichterung. Sie selbst als Hospizbegleiterin nehme viel Positives aus dem Ehrenamt mit, sagt Christine Walz. Sie sei gelassener geworden, sagt sie, habe gemerkt, was wirklich wichtig sei im Leben und gesehen, "was der Mensch alles aushalten kann und wie er trotzdem nicht verzweifelt". Und, dass auch in den letzten Wochen vor dem Tod oft noch viel Lebensfreude da sei. Dass Hospizhelfer meist fremde Menschen seien, sieht Walz als Vorteil. In einer Beziehung "ohne Vorbelastungen" gebe es viel Gesprächsstoff. Melitta Biermann bestätigt das. Sie habe an ihrem Mann beobachten können: "Es tat ihm gut, dass Menschen von außen kamen."

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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