Nach dem Unwetter-Sommer:Bleibende Beulen

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Der schwere Hagelsturm, der im Juni in und um Wolfratshausen tobte, beschäftigt noch immer die Versicherungen. Ein Gutachter führt das bei der zweiten Schadensaktion auch auf den Klimawandel zurück.

Von Veronica Bezold, Wolfratshausen

"Man spürt den Klimawandel", sagt Matthias Schuhmann. Der Kfz-Sachverständige hat vergangene Woche etliche Autos begutachtet, die vom Hagel dieses Sommers demoliert wurden. Fast drei Monate ist es her, als golfballgroße Hagelkörner Ende Juni auf den Landkreis niederprasselten. Sie hinterließen eine Spur der Verwüstung, die Versicherungen immer noch beschäftigt. Denn noch immer fahren zahlreiche Autos herum, deren verbeultes Blech stellenweise einem Golfball ähnelt.

In der ersten Woche dieser zweiten Hagelschadenaktion der Württembergischen Versicherung AG in Wolfratshausen, die noch bis kommenden Freitag läuft, wurden insgesamt 137 Fahrzeuge überprüft. Schuhmann wird von drei Kollegen unterstützt, die aus ganz Deutschland angereist sind. "Solche Sammelaktionen werden bei uns von Stuttgart aus koordiniert, je nachdem, wo gerade Hagelschäden aufgetreten sind." Hat ein Versicherungskunde an seinem Auto einen solchen Schaden festgestellt, muss er dies der Versicherung melden, erklärt der Gutachter. Anschließend werde ihm ein Termin im Hagelschadenzentrum zugeteilt.

Mit einem sogenannten "Dellenfächer", einem mit gestreiften Stoff bespannten Drahtring, sucht Matthias Schuhmann den silbernen Skoda der Königsdorferin Christine Hofberger nach Schäden ab. "Durch die Lichtbrechung erkennt man auch die kleinsten Dellen", sagt er. Diese werden im Anschluss mit einem speziellen Markierungsstift gekennzeichnet und in den Unterlagen vermerkt. "Wir notieren Anzahl, Größe und Durchmesser der Dellen." Letzterer könne bei schwereren Hagelereignissen auch mal bis zu 80 Millimeter betragen. Grundsätzlich gelte: "Jeder Hagelschaden an jedem Fahrzeug ist anders." Es komme darauf an, in welchem Wettergebiet die Autos standen und ob sie zum Zeitpunkt des Hagels geschützt oder unter freiem Himmel geparkt waren.

Die Schäden, die sein Team derzeit beschäftigen, gingen auf Unwetter am 21. Juni und am 24. Juli zurück und bewegten sich meist zwischen 1500 und 4000 Euro, sagt Schuhmann. Unmittelbar nach dem schweren Hagel Anfang Juli sei es um Summen zwischen 8000 und 15 000 gegangen, mit vielen wirtschaftlichen Totalschäden. Je älter das Auto, desto eher ließen Kunden sich die Entschädigungssumme auszahlen, statt es in die Reparatur zu geben. "Wir geben diesbezüglich auch Empfehlungen", sagt Schuhmann. Betrugsfälle kämen zwar vor, seien aber deutlich zurückgegangen. An vier verschiedenen Standorten habe er innerhalb eines Monats nur zwei solcher Versuche erlebt. Meistens würden die angeblichen Hagelschäden von den Betrügern manuell verursacht. "Früher benutzte man dafür gerne den klassischen Rundhammer. Heute werden die Leute einfallsreicher." Man müsse deshalb genau hinsehen, ob die einzelnen Dellen zueinander passen und ob es - für Hagel untypische - Lackbeschädigungen gebe.

Der große Hagel diesen Sommer in Wolfratshausen habe ihm definitiv einige seiner schwersten Fälle beschert, sagt Schuhmann. "Ich bin der Meinung, dass sich solche Hagelereignisse insgesamt häufen", meint der Gutachter, der bereits seit 25 Jahren im Einsatz ist. Früher hätten diese Wetterphänomene sich hauptsächlich auf Bayern und Baden-Württemberg beschränkt. "Mittlerweile ist in ganz Deutschland damit zu rechnen, selbst im Norden."

Christine Hofberger hatte Glück. Bei ihrem Skoda Fabia hat Matthias Schuhmann lediglich einen leichten Hagelschaden festgestellt und empfiehlt eine Reparatur. "Ich war total zufrieden, weil es so unkompliziert war", sagt die Königsdorferin über den Ablauf der Begutachtung, bevor sie wieder in ihren Wagen steigt.

© SZ vom 21.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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