Gitarrenbau:Mahagoni für die Spider Murphy Gang

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Gitarrenbaumeister Joe Striebel fertigt in Wolfratshausen edle Instrumente. Dafür stellt er jedes Einzelteil in Handarbeit her und kombiniert für seine Kunden verschiedene Hölzer, um unterschiedliche Klangwelten zu erschaffen

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Joe Striebel trägt seine Frisur streng nach hinten gelegt. In das dunkle Haar mischen sich weiß-silbrige Strähnen. Kaum zufällig erinnert er damit an die legendären Zeiten von Rock'n-Roll und Country-Musik. Ein Porträt von Johnny Cash unterstreicht diesen Eindruck. Es hängt an der Querseite des Raumes. Im Hintergrund spielt noch dazu Musik, "Heartbreak Hotel" und andere Lieder von Rock 'n' Roll bis Country.

Und etwas Anderes kommt für den 42-jährigen Wolfratshauser auch nicht infrage. Denn er liebt die US-amerikanische Musik der 30er bis 50er Jahre. In seiner Werkstatt in dem gemütlich wirkenden Holzbau direkt neben der Loisach läuft sie deshalb den ganzen Tag. Zu ihren Klängen fertigt Striebel handgearbeitete Jazz- und Westerngitarren, E-Gitarren, Bässe, Mandolinen oder Ukulelen, und das manchmal auch mitten in der Nacht. "Meine Werkstatt ist mein Wohnzimmer", erklärt er.

Unter begeisterten Hobbyspielern und professionellen Musikern ist der Gitarrenbaumeister längst kein Geheimtipp mehr. Sie wissen sein Handwerk zu schätzen. Sein Vorteil sei, dass er jedes einzelne Bauteil aus Holz für seine Gitarren selbst bearbeite, sagt er. Dadurch könne er sich mit seinen Instrumenten klanglich von den Massenherstellern abheben. Als Handwerker vor Ort könne er mit seinen Kunden persönlich über ihre Vorstellungen reden und das gewünschte Ergebnis umsetzen. Doch solch individuelle Qualität, erfordert Geduld und hat ihren Preis. Rund 80 Stunden braucht Striebel für eine Standard-Akustik-Gitarre. Zwölf bis 14 Monate müssen die Kunden auf ihr neues Modell warten. Die Standard-Version kostet rund 3800 Euro.

Joes Striebel wählt seine Materialien mit Bedacht aus. Je nach verwendeter Holzart klingt jedes Modell anders. Für die Gitarrendecken setzt er auf heimisches, rund fünf Jahre gelagertes Fichtenholz. Denn das ist stabil genug, um dem Seitenzug standzuhalten, und gleichzeitig elastisch, um zu schwingen. Boden und Zargen, wie man die Seitenelemente einer Gitarre nennt, müssen den Klang reflektieren. Infrage kommen Ahorn, Birke, Obstbaumholz wie Zwetschge, Rüster, das Holz der Ulme, oder auch einmal Olive und vieles mehr. Generell gilt: Je härter das Holz, desto härter, und je weicher das Material, desto weicher klingt das Instrument.

Ostindischer Palisander sei das Universalholz für Boden und Zargen einer Gitarre, erklärt Striebel. Es erlaube eine große Bandbreite zwischen tiefen Bässen und klaren Höhen. Cocobolo oder Amazonas-Palisander seien dagegen härter. Damit werde auch der Klang härter und klarer. Mit weicherem Mahagoniholz werde das Klangbild hingegen deutlich wärmer und weicher.

Striebel hat sogar seine Werkstatt gleich neben seinem Wohnhaus selbst eingerichtet. Zugute kam ihm seine Ausbildung zum Schreiner. Die hat er noch vor Lehre und Prüfung zum Gitarrenbaumeister abgeschlossen. Der Werkzeugschrank an der Wand ist eine Arbeitsprobe aus der Berufsschule. Striebel hat die Hobel darin ebenfalls selbst für seine Bedürfnisse angefertigt so wie die Außenformen für seine Gitarren. Rund 20 davon hängen in verschiedenen Größen in der Werkstatt. In sie biegt Striebel die erhitzten und angefeuchteten Zargen ein. Das Holz bleibt über Nacht in den Formen, um abzukühlen. Später werden Decken und Boden aufgeleimt. Für den Spielkomfort lackiert Striebel die Hälse auch schon einmal seidenmatt. "Das gibt beim Greifen ein angenehmeres Gefühl", erklärt er.

Auch an der Unterseite seiner Gitarren verbirgt sich manche Kostbarkeit. Im kleinen Ausstellungsraum dreht er eines seiner besonderen Modelle um. Er streicht über den Boden aus gewolkter finnischer Birke. Das charakteristische wellenförmige Muster wirkt besonders harmonisch. Er greift zu einer anderen Gitarre mit einem Boden aus gewolktem Ahorn. Beide Maserungen seien sehr selten, sagt Striebel. Deswegen kosteten solche Modelle auch schon fünfstellige Beträge.

Trotz teils exotischer Hölzer und seiner Begeisterung für die Musik jenseits des Atlantiks ist Striebel ein heimatverbundener Bayer geblieben. In Wolfratshausen hat er seine Schreinerlehre abgeschlossen. Begonnen hatte er sie eigentlich nur, weil er in der näheren Umgebung auf Anhieb keinen Ausbildungsplatz zum Gitarrenbauer fand. Und nach Norddeutschland wollte er nicht gehen. Doch schon früh stand für ihn fest: Gitarrenbauer zu werden war das einzig richtige Berufsbild. Schon als Kind hat er Gitarrespielen gelernt und in der Hobbywerkstatt seines Vaters geschnitzt und gebastelt. Nach seiner Schreinerlehre ließ er sich beim Munich Repair Shop in München zum Gitarrenbauer ausbilden und machte seine Meisterprüfung.

Seine Kunden finden Striebel über Mund-zu-Mund-Propaganda. Regelmäßig stellt er auf der weltgrößten Musikmesse in Frankfurt aus, früher auch auf Ausstellungen in Kanada oder Kalifornien . Unter anderem hat er schon für den renommierten deutschen Jazzgitarristen Philipp Stauber Instrumente angefertigt oder für die Spider Murphy Gang. Letzteres freut ihn besonders. Denn zu deren großer Zeit in den 80er Jahren waren die Bandmitglieder seine Idole. Damals spielte Striebel Rock 'n' Roll in einer Schülerband.

Doch vollständig zu fassen ist Striebel nicht allein mit seinen Musikinstrumenten. Er liebe das gesamte Holzhandwerk, drechsle beispielsweise gerne, sagt er. So hängt an der Wand in der Werkstatt auch ein großes Holzschaukelpferd. Der Familienvater hat das für sein Kind gebaut. Sogar ein kleines Segelschiff hat er gemeinsam mit seinem Vater entworfen und angefertigt. Das wollen sie im Sommer auf dem Starnberger See ausprobieren.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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