Geretsried:Vorzeigeunternehmen kehrt Stadt den Rücken

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Während Geretsried über die Erhöhung der Gewerbesteuer diskutiert ist eines der größten Unternehmen weggezogen - dorthin, wo die Steuern niedriger sind.

Bernhard Lohr

Eines der großen Geretsrieder Unternehmen hat der Stadt den Rücken gekehrt. Die Mucos Pharma GmbH residiert seit kurzem in Oberhaching. Das mehrstöckige Firmengebäude am Geretsrieder Malvenweg, in dem einmal mehr als 200 Beschäftigte Arbeit fanden, ist völlig verwaist. Der Hersteller der bekannten Enzympräparate Wobenzym und Phlogenzym wurde einst in der Stadt in einem Atemzug mit Böhme Chemie genannt. Das Unternehmen galt als einer der Vorzeigebetriebe und einer der wichtigsten Gewerbesteuer-Zahler.

Ein leerstehendes Gebäude mit dem Namenslogo ist alles, was der Stadt von einem einst wichtigen Steuerzahler geblieben ist. (Foto: Manfred Neubauer)

An dem mächtigen Firmengebäude im Geretsrieder Norden prangt noch das Firmenlogo. Doch viel mehr erinnert nicht mehr daran, dass dort einmal reger Betrieb herrschte. Das Gelände ist völlig zugeschneit, am Eingang hängt ein Zettel mit der Aufschrift: "Wir sind umgezogen, Sie erreichen uns jetzt im Bajuwarenring 5, Oberhaching." Im Eingangsbereich sind noch die Verpackungen der Verkaufsschlager des Konzerns ausgestellt, gerade so als hätte die Belegschaft fluchtartig das Gebäude verlassen. Ganz falsch ist der Eindruck nicht. Bereits im November sei man nach Oberhaching umgezogen, ist zu hören, und zwar von einem Tag auf den anderen. Freilich seien gar nicht mehr so viele Mitarbeiter betroffen gewesen. Der Geschäftsführer der Mucos Pharma GmbH, Andreas Weide, war am Mittwoch nicht erreichbar.

Die Mucos Pharma hat seit einigen Jahren offensichtlich nicht mehr viel mit dem Unternehmen zu tun, das Karl Ransberger aufgebaut hat. Ransberger wird 1957 Geschäftsführer eines kleinen Betriebs, der Vitamin-Präparate herstellt. Ransbergers Erfolg ist eng verknüpft mit der Freundschaft zu Max Wolf, dem Begründer der Enzymforschung. 1959 wird Ransberger Präsident der Geretsrieder "Mucos Emulsionsgesellschaft mbH", 1967 auch Präsident der Medizinischen Enzym-Forschungsgesellschaft.

Im Jahr 1979 zieht Mucos in die Geretsrieder Alpenstraße. Von dort geht es 1996 in modernere Betriebs- und Forschungsgebäude am Malvenweg. Mucos ist zu der Zeit ein Unternehmen mit weltweit rund 1000 Mitarbeitern und 160 Millionen Mark Jahresumsatz. Doch als Ransberger im Jahr 2001 stirbt, gibt es einen Bruch.

Alleingesellschafterin Monika Ransberger bingt 2002 den gesamten Firmenverbund in eine Stiftung ein. 2005 steigt eine Beteiligungsgesellschaft ein, und seit 2007 gehört man zur kanadischen Atrium Innovations. Der Gewinn von Mucos brach laut Geschäftsbericht auch ein, weil Wobenzym und Phlogenzym in Deutschland vom Arznei- zum Nahrungsergänzungsmittel herabgestuft wurden. 2008 war Geretsried nur noch als Niederlassung der Mucos Pharma GmbH mit Sitz in Berlin geführt. Der ausgewiesene Jahresüberschuss betrug 2008 noch 1,3 Millionen Euro.

Die Gründe für den Umzug von Mucos sind offiziell nicht bekannt. Mit Verweis auf das Steuergeheimnis ist auch im Geretsrieder Rathaus oder von Stadträten nicht zu erfahren, ob Mucos überhaupt in der Stadt Steuern zahlte. Dennoch hat in Geretsried der Abschied des Unternehmens die Diskussion über den Gewerbesteuer-Hebesatz neu entfacht. Seit längerem fordert die SPD, den Satz von 320 Prozent auf 340 oder 380 Prozent anzuheben. In Oberhaching, wo Mucos ein bestehendes Geschäftsgebäude bezogen hat, liegt der Hebesatz bei 270 Prozent.

Der persönliche Referent des Oberhachinger Bürgermeisters, Alexander Maierhöfer, zeigte sich am Mittwoch von der Nachricht überrascht, dass das Unternehmen in Oberhaching seinen Sitz genommen hat. Die Gemeinde habe auf jeden Fall keine Abwerbeversuche unternommen. Die Gespräche seien an der Gemeinde vorbeigelaufen. Freilich könne der günstige Hebesatz ebenso wie die günstige Verkehrsanbindung Oberhachings eine Rolle gespielt haben.

Oberhaching hat im letzten Jahr 16,7 Millionen Euro Gewerbesteuer eingenommen, und damit das gesteckte Ziel um sechs Millionen Euro übertroffen. Heuer rechnet man laut Maierhöfer mit 12,9 Millionen Euro. In Geretsried geht Kämmerin Ute Raach nach neun Millionen Euro im Vorjahr heuer von Einnahmen in Höhe von 7,7 Millionen Euro aus.

© SZ vom 27.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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