Geretsried:Rüstiger Jüngling

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. . . der "Jüngling" desselben Bildhauers soll nun vom Norden der Stadt ans andere Ende des Karl-Lederer-Platzes kommen (hier mit Engelbert Schönbach, der als Zehnjähriger Modell für das Werk stand). (Foto: Hartmut Pöstges)

Ein Bub aus der Nachbarschaft stand Wilhelm Srb-Schlossbauer einst Modell. Auch ein halbes Jahrhundert später ist Engelbert Schönbach dabei, als sein in Bronze gegossenes Abbild enthüllt wird.

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Ganze 100 Stunden stand Engelbert Schönbach als Zehnjähriger im Atelier des Bildhauers: Reglos wie die Skulptur, der er den Körper und das Gesicht geliehen hat. Wilhelm Srb-Schlossbauer schuf den "Jüngling" vor rund 51 Jahren in seiner Geretsrieder Künstlerstube, das junge Modell hatte er sich aus der Nachbarschaft geliehen.

Jetzt steht die Figur als neu angefertigter Bronzeguss am neuen Geschäftszentrum an der Sudetenstraße und blickt - das eine Bein leicht angewinkelt, sich auf eine Vase stützend und mit nicht mehr als einem Tuch um die Hüfte bekleidet - über die Kreuzung Am Stern. Enthüllt worden ist die Figur am Dienstagvormittag von dem heute 61-jährigen Vorbild Schönbach und Srb-Schlossbauers Tochter, der 73-jährigen Ulrike Ebert.

Srb-Schlossbauer lebte von 1890 bis 1972, gestorben und begraben wurde er in seiner neuen Heimat Geretsried. Ursprünglich stammte der Bildhauer aus Karlsbad in der heutigen Tschechischen Republik. Seine Heimat musste er, wie viele andere Sudetendeutsche, nach dem Zweiten Weltkrieg fluchtartig verlassen. Srb-Schlossbauer, der in Wien an der Akademie der Bildenden Künste studiert hatte und an der Kunstgewerbeschulein Prag weitergebildet worden war, besaß im Sudetenland eine eigene Werkstatt. Dort seien in der Blütezeit seines Schaffens die meisten Werke entstanden, sagt Tochter Ulrike Ebert. Doch als die Vertreibung begonnen habe, sei vieles davon verloren gegangen und bis heute verschollen.

In Geretsried lebte Srb-Schlossbauer offensichtlich in guter Nachbarschaft: Etliche, die ihm für seine Figuren Modell standen, sollen nebenan gewohnt haben - oder, wie in Schönbachs Fall, gleich gegenüber. Die Familie des Bildhauers und seine Familie seien befreundet gewesen, sagt Schönbach. Deshalb habe ihn Srb-Schlossbauer gefragt, ob er ihm Modell stehen wolle. Das sei zwar nicht das gewesen, was er sich als Zehnjähriger unter attraktiver Freizeitbeschäftigung vorgestellt habe - trotzdem sei er pflichtbewusst hingegangen, sagt Schönbach. Ein Anreiz sei auch die Bezahlung von zwei Mark pro Stunde gewesen. Durch die satten 200 Mark, die er am Ende von dem Künstler überreicht bekommen habe, wisse er nun ganz genau, dass es 100 Stunden gewesen seien. So lange still zu stehen sei nicht gerade typisch für einen Zehnjährigen - doch es habe ihm viel gebracht im Leben.

Schönbach arbeitet seit fast 45 Jahren in der Stadtverwaltung - inzwischen beim Ordnungsamt, Bereich Straßen und Verkehr - und habe es dort immer wieder mit Menschen zu tun, die wutentbrannt in sein Büro stürmten. Denen begegne er mit Ruhe und Besonnenheit ("Ich denke eine Zeit lang nach, bevor ich etwas unternehme"). Ganz ähnlich habe sich Srb-Schlossbauer damals verhalten. In dessen Atelier habe immer eine sehr angenehme und beruhigende Atmosphäre geherrscht, erinnert sich Schönbach, und auch der Künstler selbst sei ein "ausgleichender Mensch" gewesen. Das habe ihn geprägt.

Nach Srb-Schlossbauers Tod am 6. Februar 1972 stellte sich die Frage, was mit seinem Nachlass passieren sollte. Ihre Mutter habe das in die Hand genommen, sagt Ulrike Ebert: Nur, wer die Werke des Künstlers wirklich zu schätzen wusste, sollte auch etwas davon bekommen. So gelangte die Figur des "Jünglings" in den Besitz der Egerländer Gmoi.

Aufgestellt wurde sie in der Öffentlichkeit jedoch nie: Das Material ließ es nicht zu, die Figur war aus Gips hergestellt. Srb-Schlossbauer habe immer gehofft, sie eines Tages in Bronze gießen zu können, sagte 2012 Albrecht Widmann. Zum 40. Todestag des Bildhauers hatte der Kunstbunker-Besitzer in seinen Räumlichkeiten am Isardamm eine Sonderausstellung organisiert, in deren Rahmen auch der rohe, aus Gips geformte "Jüngling" gezeigt wurde. Dieser Wunsch hat sich nun spät erfüllt.

Gegossen hat die Figur Marc-Andreas Hofmeister aus Berg-Höhenrain in einem aufwendigen Prozess, der 200 Stunden in Anspruch nahm.

© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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