Lehrberuf:"Die Schüler sind meine Motivation"

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Die Klassenlehrerin Kinga Gürlebeck wurde im vergangenen Jahr zur Lehrerin des Jahres im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gewählt. (Foto: Hartmut Pöstges/Hartmut Pöstges)

Kinga Gürlebeck wurde als beste Lehrerin ausgezeichnet. Mit Herz und Engagement fördert sie ihre Schüler.

Von Pauline Lunglmeir, Geretsried

"Sage es mir, und ich vergesse es! Zeige es mir, und ich erinnere mich. Lass es mich tun, und ich behalte es." Auf einem kleinen Plakat über dem Lehrerpult hängt das Zitat des chinesischem Philosophen Konfuzius. Darunter ein Jahreskalender, daneben das Klassenfoto der 9 M der Geretsrieder Mittelschule. Es ist das Reich von Kinga Gürlebeck. Die Klassenlehrerin wurde mit dem "Summa cum Laude"-Preis vom Rotary Club Wolfratshausen-Isartal zur besten Lehrerin im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gewählt. Anstatt langweiligen Frontalunterricht zu halten, denkt sie sich immer wieder spannende Projekte aus, die die Schüler motivieren. Die Geschichten, die die 45-Jährige über ihre Schüler erzählt, erinnern an die "Fuck ju Göhte"-Filme mit Elyas M´Barek als außergewöhnlichen Aushilfslehrer. Mit einem Mathematik-Lernvideo schafft es Gürlebeck, die Angst vor dem Fach zu nehmen.

Eigentlich wollte Kinga Gürlebeck, die in Polen geboren wurde und mit zwölf Jahren nach Geretsried gezogen ist, Psychologie studieren. Dafür hatte sie jedoch nicht den nötigen Notenschnitt, weswegen sie sich für Religionspädagogik entschied. Eine Schulstunde, die sie während des Studiums organisieren musste, gefiel ihr so gut, dass Gürlebeck beschloss, Lehrerin zu werden. Das gegenseitige Voneinanderlernen gefiel ihr gut, aber auch die Möglichkeit, die Schüler und Schülerinnen zu fördern und zu fordern. Am schönsten sei es, dabei deren Entwicklungen zu beobachten, sagt sie.

In Projekten können die Schüler ihren individuellen Interessen nachgehen und erwerben dabei viele neue Kompetenzen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wenn Gürlebeck mit den Schülern redet, merkt man schnell, dass sie nicht nur ihren Beruf liebt, sondern auch eine besondere Beziehung zu den Jugendlichen hat. "Für mich ist es wichtig, sich immer wieder in die Perspektive der Schüler zu versetzten und ihnen mit Respekt zu begegnen. Bei vergessenen Hausaufgaben oder Verspätungen bin ich trotzdem konsequent. Das schreibe ich auf. Die Schüler brauchen gewisse Grundregeln, an denen sie sich orientieren können", erklärt sie. Diese Haltung spiegelt sich auch in ihrem Unterricht. Am vorletzten Tag vor den Sommerferien trifft sich die 9 M der Mittelschule ein letztes Mal zur Redaktionssitzung der Schülerzeitung MS-Voice. Zwei Schüler kommen zu spät, aber anstatt in Rage zu geraten, geht Gürlebeck auf die Schüler ein und fragt nach, was der Grund sei und ob alles okay ist.

Die MS-Voice ist eines der vielen Projekte, die Gürlebeck in ihren Unterricht integriert hat. Mit Hilfe dieser Projekte versuche sie, Wege zu finden, die den Schülern den Zugang zu schwierigen Themen erleichtern und den Alltag ins Klassenzimmer bringen, sagt sie. Insbesondere in Mathematik - einem Fach, vor dem ihre ehemalige Klasse besonders Angst hatte - gelang es ihr, eine "stumme Klasse" sozusagen zum Leben zu erwecken. Wie? Inspiriert von Mathematik-Lernvideos, die die Schüler schauten, um den Corona-Schulalltag rumzubringen, entwickelte Gürlebeck ein Projekt, bei dem die Klasse selbst die Regie übernehmen sollte. "Durch die Produktion der Lernvideos setzten sich die Schüler viel intensiver mit dem Thema auseinander und haben so Freude an dem Fach entwickeln können", berichtet die Lehrerin. Um den Aufwand zu würdigen, den das Drehen der Videos mit sich bringt, meldete Gürlebeck das Projekt bei dem bundesweiten Wettbewerb "Jugend präsentiert" an. Als einzige Mittelschule aus Bayern schaffte es die zehnte Klasse bis ins Finale. "Dieser Erfolg, sich neben Gymnasiasten behaupten zu können, gab den Schülern viel Selbstbewusstsein, das sich nicht nur in den Noten, sondern auch in anderen Fächern niederschlug", sagt die Lehrerin voller Stolz.

Die Schülerzeitung "MS-Voice" gewann den dritten Platz des Schülerzeitungswettbewerbs "Blattmacher". (Foto: Hartmut Pöstges)

Doch damit nicht genug. Kinga Gürlebeck entdeckte in ihren Schülern auch journalistisches Talent. Weil sie schon immer eine Schülerzeitung gründen wollte, entschied sie sich, den "Brocken an Aufwand" auf sich zu nehmen. Denn die Zeitung deckt nicht nur notwendige Kompetenzen und Inhalte des Lehrplans ab, sondern fördert obendrein die individuellen Stärken der Schüler. Dadurch würden diese mehr Spaß und Erfolgserlebnisse beim Lernen haben, betont Gürlebeck. Durch die freie Konzeption der Zeitung bekämen die Schüler einen persönlichen Bezug zu den Themen. Zudem ist die Schülerzeitung alltagsnäher, wodurch das Fach Deutsch einen praktischeren Bezug erfährt. Auch das Projekt Schülerzeitung war ein großer Erfolg und gewann den dritten Preis beim Schülerzeitungswettbewerb "Blattmacher". Gürlebeck freut sich über die Begeisterung der Schüler: "Beim nächsten Mal will die Klasse den ersten Platz belegen, deswegen arbeiten sie jetzt motiviert an der nächsten Ausgabe."

Die Umsetzung der Projekte erfordert viel Zeit und Engagement von Kinga Gürlebeck. Manchmal gerate sie dabei an ihre Grenzen. Besonders nach der Geburt ihrer dreijährigen Tochter sei der Spagat zwischen Beruf und Familie nicht so einfach, da müsse sie manchmal Abstriche machen. Doch die Liebe zu ihrem Beruf und die Freude trieben sie immer wieder an. "Es ist schön zu sehen, wie sich die Persönlichkeiten entwickeln. Ich versuche die Schüler so zu stärken, dass sie darauf aufbauen können, wenn sie von der Schule gehen." Manchmal kämen frühere Schüler auf einen Besuch vorbei - das sei besonders schön und motivierend.

Mit der App "padlet" kann sich Gürlebeck anonym Feedback von ihren Schülern holen. Mit "Geogebra" macht Mathematik mehr Spaß und komplizierte Funktionen werden anschaulicher. (Foto: Hartmut Pöstges)

Für Gürlebeck ist die Lehrerrolle nicht nur ein Job, sondern auch eine Berufung. Sie möchte ihren Schülern nicht nur Wissen vermitteln, sondern sie zu selbstbewussten und weltoffenen Menschen erziehen. Daher zeigt sie ihnen, welche Möglichkeiten ihnen offenstehen, von denen sie vielleicht gar nichts wussten. Darüber hinaus ist es der Lehrerin ein Anliegen, die Vorurteile gegenüber der Mittelschule abzubauen. So seien oft nicht die Schüler problematisch. Anstatt Kinder aus sozial benachteiligten Familien zu stigmatisieren und die Schulen zu problematisieren, müsse an der Mittelschule ein Ort geschaffen werden, an dem sich die Schüler angenommen fühlten und ihre Stärken gefördert würden.

Als "Summa cum Laude"-Preisträgerin soll Kinga Gürlebeck als Vorbild für andere Lehrerinnen und Lehrer fungieren. Sicherlich könne es nicht jeder ihr gleichtun, sagt sie, schließlich habe jeder seine eigenen Stärken und Talente. "Jedes Jahr das Gleiche zu machen, wäre auch für mich langweilig", meint Gürlebeck. Letztlich, da ist sie sich sicher, müsste die Gesellschaft dem Lehrberuf mehr Anerkennung entgegenbringen. Das würde schon viel helfen - vor allem, dass dieser Job für Berufseinsteiger wieder interessanter würde.

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