Gelungener Auftritt:Alles, was das Blech hergibt

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Michael Forster und das Ensemble "Wes10brass" gestalten in Schäftlarn ein kontrastreiches Konzert von Praetorius bis Bonanza

Von Barbara Szymanski, Schäftlarn

Manches klingt und liest sich bei den Schäftlarner Konzerten am Samstag ein wenig sperrig. Da wäre zunächst das Ensemble Wes10brass, also Bläser aus dem Westen Deutschlands, wo früher Kohle geschürft und Tauben gezüchtet wurden. Die Musiker sind allesamt Blechbläser, was fast ein wenig despektierlich klingt. Wenn sie jedoch loslegen unter dem Dirigat von Michael Forster, ist es vorbei mit kantig und sperrig. Schlank und elegant und mit großer raumfüllender Strahlkraft klingt ihr Spiel. Die Freude an den komplexen und mitunter gewagten Arrangements springt sofort über ins Publikum, das aufmerksam jede Wendung der Kompositionen verfolgt. Denn diese sind beileibe nicht für ein reines Bläserensemble geschrieben worden. Aber Blech kann eben alles. Blech kann so butterweich sein, so streichelnd und verführend, dann wieder pikant und scharf, dass es den Zuhörer kurz fröstelt.

Sperrig sind auch manche Komponisten wie Giles Farnaby, ein englischer Tondichter, oder der holländische Jan Pieterszoon Sweelinck. Werke von ihnen hat sich die Formation an diesem Samstag vorgenommen. Der Italiener Giovanni Gabrieli oder der Deutsche Michael Praetorius klingen da schon vertrauter. Es ist spannend, diesen Gegensatz von verspieltem Rokoko der berührend schön renovierten Klosterkirche und den wuchtigen barocken Klängen auf sich wirken zu lassen.

Die Trompeten bejubeln den schönen Sommertag mit "Mal Sims" von Farnaby oder Stücke von Gabrieli, der als Wegbereiter des Barock gilt und der dem Kontrabass raus aus der Nebenrolle in den Basso Continuo verhalf. Dieser konnte sich mit dem koreanischen Tubisten Jaehyung Kim einmal mehr beweisen. Das voluminöse Instrument kann so leicht wie eine Feder klingen oder so tief in den Keller hinabfahren, dass es kaum noch hörbar ist. Das Verziehen der Töne gelingt dem Tubisten genauso wie den drei Posaunisten, die bei den barocken Stücken auf Phrasierungen und andere typische Möglichkeiten dieses immer etwas schwerfälligen Instruments verzichten und bei den Arrangements nur wohltönend mitarbeiten.

Dirigent Michael Forster hatte zuvor einen "reinen Unterhaltungsabend" angekündigt, jedoch mit Erbauung der Herzen. Des Leibes allerdings nicht. Denn trotz mitreißender Musikstücke der ausgehenden Renaissance, die als vertanztes Jahrhundert gilt, steht niemand auf und dreht sich. Vielmehr lauschen alle dem Bilderbogen, der sich, der besonderen Akustik geschuldet, nicht ganz so verwegen wie zum Beispiel auf den drei Tonträgern von Wes10brass spannt. Alles klingt in der hohen Kirche ein wenig verzögerter und getragener, wenngleich es auch Augenblicke gibt, in denen die Zuhörer die Luft anhalten, bevor sie nicht nur wohlwollend, sondern voller Bewunderung und oftmals minutenlang applaudieren: Die letzten Akkorde oder Töne eines einzelnen Instruments bleiben noch einige Sekunden stehen, bevor sie sich verlieren. Ebenfalls wohl nur an ähnlichen Orten möglich sind diese opulenten Abschlüsse, die einen tief gehenden Eindruck hinterlassen.

Nach der Pause werden die Zuhörer auch mit Vertrautem verwöhnt: mit dem Abendsegen aus Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck. Doch auch diese immer ein wenig saumselig klingende Melodie bekommt ihre blecherne Ziselierung, mehr Kraft und Trompetenjubel unterstützt von zartfühlendem Horn und Tuba.

Ein wenig erstaunt darf man schon sein, wenn Spielleiter Michael Forster die Titelmelodien aus TV-Vorabendserien wie Lindenstraße oder Bonanza als "wirklich schöne Musik" bezeichnet. Das ehemalige Ensemblemitglied Simon Klein hat sie in ein Medley gegossen. Und tatsächlich: das einfach Gestrickte wird zu einem Orchestererlebnis, zart oder hart, kratzig oder streichelnd, getragen oder federleicht und swingend. Forster hat sein Versprechen eingelöst: ein anspruchsvoll-unterhaltender Abend.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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