Gedenken an NS-Verbrechen:"Kämpft um den Frieden!"

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Generationenübergreifend erinnerten Mitglieder des Kirchenchors Penzberg-Steigenberg, Musikschüler und Gymnasiasten an das NS-Verbrechen, dem 16 Menschen in Penzberg wenige Tage vor Kriegsende zum Opfer gefallen sind. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mit eindrucksvollen Beiträgen erinnern Musikschüler und Gymnasiasten an die "Penzberger Mordnacht" am 28. April 1945. Ein vielstimmiger "Chor der Demokratie" entlarvt in einem Kurzfilm die hohlen Phrasen des Nationalsozialismus

Von Sabine Näher, Penzberg

"Wollt ihr den totalen Krieg?", ruft der Neuntklässler mit Hitlerbärtchen und Hakenkreuzbinde. Auch die finstere Miene und das Donnergrollen in der Stimme hat er sich von historischem Filmmaterial eindrucksvoll abgeschaut. Aber statt der berauschten Massen, die ihm besinnungslos zujubeln, erhebt sich - erst zaghaft, dann immer überwältigender - ein vielstimmiger "Chor der Demokratie", der die hohlen Phrasen hinterfragt und dagegen hält. Schließlich geht der NS-Führer zu Boden - und anstelle des Hakenkreuzes schwebt eine Friedenstaube über dem Rednerpult. "Kämpft um den Frieden!" hieß dieser Kurzfilm, den Schüler des Penzberger Gymnasiums gedreht haben. Eine tolle Idee und eine eindrucksvolle Umsetzung.

Doch eine Live-Aufführung hätte vielleicht eine noch stärkere Wirkung entfaltet bei dieser Gedenkveranstaltung zur "Penzberger Mordnacht". Diese ereignete sich am 28. April 1945, also in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Am Morgen dieses Tages hatte die "Freiheitsaktion Bayern" über den Rundfunk den Krieg in Bayern für beendet erklärt. Die 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzten Bürgermeister wurden aufgefordert, ihre Positionen wieder einzunehmen. In Penzberg verhinderte der ehemalige SPD-Bürgermeister Hans Rummer daraufhin die Sprengung des Bergwerkes, sorgte für die Befreiung von Zwangsarbeitern und Gefangenen aus den benachbarten Lagern und setzte den nationalsozialistischen Bürgermeister ab. Doch da umstellte ein NS-Regiment das Rathaus und erschoss Rummer und sieben seiner Mitstreiter. Als "Strafaktion" ermordete eine Einheit des sogenannten "Werwolf Oberbayern" danach weitere acht Menschen. In Erinnerung an dieses Verbrechen gestalteten die Musikfreunde Penzberg und Umgebung am Samstagabend ihre alljährliche Gedenkveranstaltung, wie immer gemeinsam mit Schülern der Penzberger Musikschule. In diesem Jahr wirkten auch Gymnasiasten und der Kirchenchor Penzberg-Steigenberg mit.

Trotz besten Grillwetters war die Aula der Grundschule Südstraße gut besetzt, was Bürgermeisterin Elke Zehetner (parteilos/SPD) erfreute: "Der Gedenktag am 28. April ist wie Weihnachten. Das verschiebt man auch nicht, wenn es auf einen Samstag fällt." Dass Musikschule, Gymnasium und Stadt hier unbeirrt an einem Strang zögen, dafür sei sie dankbar. In Vertretung für den dienstlich abwesenden Musikschulleiter begrüßte Günther Pfannkuch das Publikum. Seine Gitarrenklasse bestritt die musikalische Darbietung; als vokale Verstärkung traten Mitglieder des ebenfalls von ihm geleiteten Kirchenchores hinzu. Als diese gemeinsam mit Michael Jacksons "Earth Song" das Programm eröffneten, entstand eine Ahnung von generationenübergreifender Verständigung, denn die Sänger hätten zumeist die Großeltern der Instrumentalisten sein können. Mittendrin Pfannkuch, die Gitarre spielend, zugleich wacker singend, als Motor des Ganzen, der alle anspornte und mitzog. Er hatte eingangs daran erinnert, dass die erste Gedenkveranstaltung auf Initiative der Musikschule vor genau 25 Jahren stattgefunden hatte. Und Pfannkuch ist seither aktiv beteiligt. Zwei seiner Gitarrenschüler wagten sich mit Solovorträgen vors Publikum - das heißt, der Meister saß neben ihnen, bestritt den Löwenanteil des instrumentalen Parts und sang, wenn benötigt, die zweite Stimme.

Doch das schmälert die absolut überzeugende Leistung der Schüler nicht. Besonders mutig war dabei Maximilian Meindl, der den Vergleich mit Elvis bei "In the Ghetto" nicht scheute. Leonie Süß berührte vor allem mit "No Bravery" von James Blunt, der "als Schmusesänger" sehr einseitig beschrieben sei, wie Pfannkuch anmerkte. Da wehte tatsächlich ein wenig Woodstock-Feeling durch die Südschule. Bernhard Kerscher, Direktor des Penzberger Gymnasiums, ließ das Auditorium an seinen Überlegungen teilhaben, wie man junge Menschen "zum Mitglied der res publica" machen könne. Der Pädagoge müsse ihnen (auch zeitlich) fremde Welten so nahe bringen, dass die Jugendlichen ihre eigenen Schlüsse ziehen könnten für die Gegenwart. Er hoffe, dass das Gymnasium Penzberg dazu seinen Beitrag leiste. Die Darbietung seiner Neuntklässler spricht dafür.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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