Schnablerrennen in Gaißach:Tollkühne Fahrer auf fliegenden Schlitten

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Die Gemeinde bereitet sich auf den Traditionswettbewerb am Sonntag vor. Die Rutschpartie ist längst weltbekannt, lenken dürfen aber nur Einheimische.

Von Klaus Schieder, Gaißach

Georg Fischhaber lebt schon seit seiner Kindheit am Fuß des Gerstlandhangs in Gaißach. Mit seinem Vater ging er oft dort hin, vor allem dann, wenn genug Schnee lag und das Schnablerrennen stattfand. Als er 16 war, setzte er sich selbst zum ersten Mal auf einen Hornschlitten, sauste den Hohlweg vom Lehener Berg zu Tal und vollführte den halsbrecherischen Sprung über die Naturschanze. Ein nicht gerade ungefährlicher Flug, der auf die Schaulustigen am Ziel allerdings noch riskanter wirkt, als er für den Fahrer ist. "Der Zuschauer sagt Wahnsinn, aber es ist ein gutes Gefühl, dabei zu sein", meint Fischhaber. Und den Nervenkitzel zu spüren. Weil es seit Jahresbeginn genug geschneit hat, wird derzeit die Piste präpariert für das Rennen, das am Sonntag, 15. Januar, um 13 Uhr startet.

Früher war die urige Tradition ein eher lokales Ereignis, inzwischen ist es durch die sozialen Medien wie Facebook und Twitter weltbekannt. Ein Filmteam aus Japan nahm die Schnabler schon einmal auf, beim vergangenen Wettbewerb vor zwei Jahren säumten Gäste aus China die Strecke. Und Anfragen zum Mitfahren-Dürfen bekommt der Gaißacher Schnablerverein zur Genüge. Gäbe man diesen Wünschen nach, "hätten wir auf einmal 100 Schnabler dabei", sagt Vorsitzender Fischhaber. Das wäre ein Bruch der Tradition: Auf Einzelschlitten dürfen seit eh und je nur Gaißacher sitzen, auf Doppelsitzern muss der Fahrer ein Gaißacher sein. Das soll so bleiben. "Das wird sonst zu groß." Außerdem werden die Schlitten, die bei den Rennen zu Bruch gehen oder beschädigt werden, das ganze Jahr über von einem Wagner und einem Schmied wieder hergerichtet. Auf Kosten des Vereins.

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Loipen und Pisten im Landkreis sind präpariert. Am Samstag startet das älteste Rennen der Region - ein Zwergerl-Lauf.

Wie viele Teilnehmer, die in der Faschingszeit allesamt maskiert sind, dieses Mal an den Start gehen werden, vermag Fischhaber nicht zu prophezeien. Die Anmeldungen laufen noch. Er hofft allerdings darauf, dass heuer, da die Gemeinde Gaißach ihr 1200-jähriges Bestehen feiert, zumindest die Zahlen von 2015 erreicht werden: Seinerzeit absolvierten 38 Fahrer auf 35 Schlitten die etwa 1,5 Kilometer lange Rennstrecke, die ohne mechanische Hilfen wie Bremsen oder Steuer bewältigt werden muss. Im Vorjahr fiel die Veranstaltung mangels Schnee aus. Es könne schon sein, dass manch einer, der sich vor zwei Jahren eine Verletzung zuzog, nicht mehr mitmachen möchte, "aber es kommen auch Junge immer wieder nach", sagt der Vorsitzende. Zudem setzt er auf das Jubiläumsjahr. Vielleicht sage doch der eine oder andere, "Herrgott, da fahre ich mit".

An der Piste wird dieser Tage fleißig gewerkelt. Obwohl Schnee liegt, ist die weiße Decke unter den Bäumen im Hohlweg mancherorts nicht dick genug, weshalb noch mit der Schaufel nachgeholfen werden muss. Überdies werden die Kurven mit Bretterverschlägen oder auch mit Polstern abgesichert, damit niemand mit dem Schlitten den Abhang hinunter stürzt. 30 bis 40 Helfer sind Fischhaber zufolge im Einsatz, viele davon Vereinsmitglieder, aber auch Bürger aus Gaißach. Ihre Arbeit dürfte - sollten die Wetterprognosen zutreffen - nicht vergebens sein. Am Donnerstag soll es zwar noch etwas wärmer werden, danach aber wieder eisiger mit neuem Schneefall. "Es schaut gut aus", meint Fischhaber. "Die Kälte spielt uns in die Karten."

Sicherheit steht für den zirka 280 Mitglieder starken Schnablerverein bei dem ohnehin risikobehafteten Traditionsrennen an oberster Stelle. Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Bergwacht und Rotem Kreuz rücken an, Fischhaber spricht von einem "Großaufgebot, das wir auch brauchen". Hinzu kommen Streckenposten. Falls sich jemand bei einem Sturz verletze, werde dafür gesorgt, dass der nachfolgende Schlittenfahrer bremse und nicht aufpralle, sagt der Vereinschef.

Für die Fahrer gibt es eine ganze Liste an Regeln. Alle müssen eine Haftpflichtversicherung nachweisen, niemand darf betrunken sein. Alkohol sei allerdings schon viele Jahre kein Problem mehr gewesen, so der Vorsitzende. Dazu seien die Teilnehmer am Start viel zu angespannt. Gleichwohl finden dort Kontrollen statt. Das Tempo auf der Piste ist den Streckenverhältnissen anzupassen, wer sich unten vor der Naturschanze unsicher fühlt, muss an ihr vorbeifahren. Am Tag vor dem Rennen lädt der Verein alle Fahrer obligatorisch zu einem Informationsabend über die Sicherheitsbelange ein, die Teilnahme daran ist Pflicht. Neben den Renn-Regeln gehe es dabei unter anderem auch um die richtige Sitzposition auf den Schlitten, sagt Fischhaber. "Sicherheit wird groß geschrieben, da können wir nicht herummurksen."

Mit 42 Jahren setzt sich der Vorsitzende nicht mehr auf einen Hornschlitten. Acht, neun Mal sei er selbst mitgefahren, erzählt er. Diesmal mischt sich Fischhaber unter die Zuschauer und beobachtet, wie die Schlitten über die Naturschanze fliegen, die ebenfalls für das Rennen runderneuert wird. Den spektakulärsten Sprung gab es übrigens 1981: Damals flog ein Schnabler erstaunliche 25 Meter weit. Im Krankenhaus landete er dabei nicht.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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