Gaißach/Bad Heilbrunn:Integration beim Semmelbacken

Lesezeit: 2 min

Katharina Teufel-Biehler wird als erste Teilnehmerin eines Modellprojekts fest angestellt.

Von Thekla Krausseneck, Gaißach/Bad Heilbrunn

Katharina Teufel-Biehler belegt Semmeln mit Wurst und Käse, bäckt Pizzafladen und spült den Abwasch ab: alltägliche Dinge für eine Bäckereihelferin. Dass die 29-Jährige diese Tätigkeit nun in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ausüben kann, ist allerdings keine Selbstverständlichkeit. Denn Teufel-Biehler ist zu 70 Prozent behindert, eine Lern- und Rechenschwäche hatten ihr den Einstieg ins Berufsleben lange Zeit erschwert. Nun ist die junge Frau von der Bad Heilbrunner Bäckerei Speckerbäck angestellt worden - unterstützt vom Bezirkstag Oberbayern und einem neuen, bayernweiten Projekt, an dem sich auch die Oberland Werkstätten beteiligen.

Dieses Projekt kürzt sich "Büwa" ab, ein Akronym für "Begleiteter Übergang Werkstatt - allgemeiner Arbeitsmarkt". In Oberbayern arbeiten 8500 Menschen mit Behinderung in 28 Werkstätten: Dort werden sie zwar auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, der Sprung in die Berufstätigkeit gestaltet sich dennoch oft schwierig. Den Unternehmen fehle der finanzielle Anreiz, es gebe zu viele Hemmschwellen und Unsicherheiten, also verzichte man lieber auf die Anstellung eines behinderten Menschen, heißt es in einer Pressemitteilung der Gaißacher Oberland Werkstätten. Das Büwa-Projekt will nicht nur die Hemmschwellen senken, sondern auch finanziellen Anreiz schaffen: Teilnehmende Unternehmen bekommen bis zu fünf Jahre lang 70 Prozent des Lohns erstattet. Und falls noch Unsicherheiten aufkommen, steht der Integrationsfachdienst zur Verfügung.

Auf diese Weise wolle man den Arbeitgebern "die Angst nehmen", sagt Bäckereiinhaber Konrad Specker: "Ich kann nur sagen, probiert's aus." Der Ablauf sei unproblematisch gewesen, Teufel-Biehler sei eine große Hilfe für den Betrieb, jeden Tag beweise sie aufs Neue, dass sie eine vollwertige Arbeitskraft sei. Doch nicht nur ihre Motivation und Leistung hätten ihn überzeugt, sagt Specker, auch die Chemie habe gestimmt. Und das sei es letztlich, worauf es ankomme, und nicht auf die Zuschüsse. "Man muss den Menschen in den Vordergrund stellen", so Specker, der im Bezirkstag für die Freien Wähler sitzt..

Teufel-Biehler hatte ihre Ausbildung an der Tölzer Berufsschule absolviert. Ihren Einstieg ins Berufsleben fand sie anschließend bei den Oberland Werkstätten in Gaißach. Momentan beteiligen sich 33 Mitarbeiter mit Behinderung aus 16 oberbayerischen Werkstätten an dem Modell-Projekt, sieben Teilnehmer kommen aus den Oberland Werkstätten. Teufel-Biehler ist die erste, die vermittelt wurde. Ziel sei es, 90 Stellen zu schaffen, sagt Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern und Präsident des Bayerischen Bezirkstags; es sei also noch "Luft nach oben". In Krippen, Kindergärten und Schulen werde die Integration bereits praktiziert. Jetzt soll die Integration den Sprung in den Arbeitsmarkt schaffen. Mederer betont seine Hoffnung, dass das Beispiel Speckers Schule macht. Doch dazu müssten bei den Unternehmen "Schranken fallen".

Dass das Arbeitsverhältnis sozialversicherungspflichtig ist, längerfristig anhält und mindestens 15 Wochenstunden umfasst, sind drei Voraussetzungen für eine Teilnahme. Für einen erfolgreichen Ausgang sei es wichtig, dass das Kollegium mitziehe, sagt Jeremias Nowotny, Projektverantwortlicher bei den Oberland Werkstätten. Mit den Kollegen des Speckerbäck - 15 Mitarbeitern neben Teufel-Biehler - gebe es keine Probleme, vor allem, weil sich der Chef das Anliegen zur Sache gemacht habe. Specker will die Menschen zum Umdenken bringen: Immer wieder werde er gefragt, warum er einen Behinderten eingestellt habe. Er muss da nicht lange überlegen: "Die Leute sollen merken, dass das völlig normal ist."

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: